Vielfach ist mir in der letzten Zeit eine Diskussion begegnet, die sich vorsätzlich um ein paar Vokabeln drehte, in Wirklichkeit aber einige grundlegende Verständnis- und Anschaungsfragen zur Wahrnehmung und Verortung des „Netzes“ im kulturellen Alltag berührt. Im Kern geht es um die Begrifflichkeit von „real“ und „virtuell“, um die Verortung der digitalen Entität in der besonderen Gegenüberstellung mit der physisch erfahrbaren Umgebung des Menschen.
An vielen Fronten wird darüber nachgedacht, was mit einer Gesellschaft geschieht, wenn der reale und digitale Raum miteinander verschmelzen und die sog. „virtuelle“ Welt in die „reale“ Welt hineinwächst. Wir erleben dieses Prozess als Paradigmenwechsel, als Strukturwandel, Renaissance oder Digitale Revolution auf dem Weg zu einer digitalen Gesellschaft. Als „kontinuierliche Plattformen für Diskurse und Wissenssvermittlung“ (Peter Weibel) dürfen sich auch die Museen diesen neuen Produktions- und Kommunikationsprozesse nicht verschliessen und müssen im digitalen Raum Stellung beziehen.
Im täglichen Diskurs erleben wir, wie viele Institutionen diesen digitalen Raum zwar zunehmend als Möglichkeit begreifen, in der Bewertung aber bei den Vorstellungen einer „virtuellen Dimension“, einer „Parallelwelt“, einer „Cyberlandschaft“ hängen bleiben. Abgesehen davon, daß diese Begrifflichkeiten alten Vorstellungen und Bewertungsmustern folgen, erinnern sie mich im Vortrag immer an so etwas wie „Raucherzonen“ , „Spielhöllen“ oder „Vor-Ort-Slums“, – eben Bereiche, in denen ein „anständiger“ Mensch nicht anzutreffen ist.
Die Ausweisung des digitalen Raumes als „virtuell“, als Gegenentwurf zum „Realen“, ist dabei nicht nur falsch, sondern trifft nicht einmal mehr als Metapher zu. Vielfach verkümmert dieser Terminus nur noch zu einer (unbewussten oder bewussten) rhetorischen Floskel, die scheinbar eine Auseinandersetzung mit dieser neuen Form der Öffentlichkeit verschiebt oder negiert. Längst hat die digitale Kommunikation insbes. die Welt des Web 2.0 eine Öffentlichkeit definiert, die quasi räumlichen Charakter hat. Vielleicht hilft es, wenn die Museen diesen Kulturraum wie einen Erweiterungsbau verstehen, nur dass dieser nicht am Bau- sondern am „Kulturkörper“ verstanden werden muss. Das Publikum jedenfalls ist längst dort angekommen und wartet nun auf Angebote und Berührungspunkte, um sich in diesen Datenraum mit und über die Institutionen, Ihren Angeboten und Botschaften vernetzen und austauschen zu können. Das von „bewahrpädagogischen, in Duldungsstarre verbleibenden“ (zitiert nach Thomas Krüger) Gatekeepern formulierte „virtuell“ intendiert dagegen etwas künstliches, das (passiv erduldeter oder aktiv betriebener) Abgrenzungsbereich neben dem eigentlichen Realen existiert (oder etragen werden muss). In jedem Falll scheint es sich um einen ausgegrenzten Bereich zu handeln, der nicht sinnvoll mit dem realen Umfeld eines Menschen verknüpft werden kann. Davon wollen und müssen wir weg.
Wie erfrischend waren da die Ausschreibungsunterlagen für das Kunstareal München zu lesen, die anläßlich der Neufindung eines Orientierungssystems die Parität zwischem dem realen und digitalen Raum einfach konstatierten:
Es bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung dieses Wettbewerbs auch diesen Vorgaben gerecht wird und ein Zeichen setzen kann, wie sie „realer Raum“ und „digitaler Raum“ verschränken und ergänzen können. Das Agieren in der Welt ist auch ein agieren mir den Schnittstellen.
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