Es hat etwas von einem Boxkampf: auf der einen Seite die unabhängige, von einem Museum in Eigenregie betriebene Homepage (Beispiel: Franz Marc Museum in Kochel am See), in der anderen Ecke die museale Repräsentanz in einer übergeordneten digitalen Trägerstruktur, z.B. in einem Stadtportal (Beispiel: Museen der Stadt Kempten). Auf beiden Websites agieren Museen, das eine in der freien Entfaltung digitaler Identität, die anderen in der verpflichtenden Struktur eines verantwortlichen Trägers.
Im digitalen Alltag vieler Museen in kommunaler Trägerschaft ist das Alltag: Vorgaben aus der Stadtverwaltung oder kommunalen IT versorgen Behörden, Kindergärten, Wertstoffhöfe, Schwimmbäder oder Kultureinrichtungen mit der gleichen Kommunikationsstruktur. Für kleine Museen, die keine eigene Möglichkeit zur Umsetzung digitaler Instrumente haben, ist diese digitale Grundversorgung sicher zielführend. Problematisch wird diese Situation vor allem dann, wenn die Kommune das Listing im Stadtportal als ausschließlich und bindend definiert und den Betrieb einer eigenen Website untersagt. Für Einrichtungen, die gerade im digitalen Raum und Alltag komplexere Strukturen und Angebote entfalten, womöglich sogar eine echte digitale Strategie entwickeln wollen (und könnten), erscheint das mitunter dramatisch einschränkend bis unsinnig.
Museumswebsite als Herzstück digitaler Kommunikation
Die Website ist heute das Herzstück der digitalen Kommunikation eines Museums. Als zuverlässiger und verifizierter Ankerpunkt markiert sie, neben den sozialen Medien und den Suchmaschinen, die erste und wichtigste Informationsquelle, die ein Besucher zu Rate zieht, um sich auf einen anstehenden Besuch im Museum vorbereiten oder diesen zu flankieren. Die Abfrage erfolgt immer häufiger über mobile Endgeräte und fokussiert die unterschiedlichsten Erwartungen an die digitale Informations- und Servicelandschaft der Häuser.
Kommunikation mit Menschen, Maschinen und Systemen
Eine gute und erfolgreiche Website (lesenswert dazu: „What do the best museum websites all do?„) wird heute in der Regel von den Institutionen selbst betrieben und kommuniziert mit unterschiedlichsten Zielgruppen: mit Menschen, Maschinen und Systemen. Sie entwickelt sich im Corporate Design eines Hauses, transportiert Basisinformationen, Philosophie und Leitbild, Sammlungscharakter und Themenschwerpunkte. Sie eröffnet digitale Sammlungen, Forschungslandschaften und/oder -infrastrukturen, Pressebereiche, E-Ticketing oder E-Learning-Angebote, organisiert Nachnutzungskonzepte, Schnittstellen, Reichweiten und Sichtbarkeiten. Sie organisiert und ermöglicht Fachinformationen, bietet Vertiefungsebenen, Vermittlungsangebote und Inspirationen für unterschiedliche Zielgruppen.
Gute Websites stellen heute den User in den Fokus und entwickeln sich nicht mehr solitär aus dem Organigramm eines Unternehmens. Sie reagieren mitunter auf Standort und Abfragezeitpunkt des Users und offerieren Inhalte und digitale Angebote punktgenau auf Zielgruppen und Einsatzszenarien zu. Sie transportieren fundierte Informationen oder Dokumentationen, schalten Rechercheinstrumente frei oder erweitern den Lernort und das Schaudepot des Museums in die vielfache Dimension. Dabei wachsen sie in die Konkurrenz anderer selbst- oder fremdbestimmter Instrumente (Google My Business, Tripadvisor, etc.), die das Meinungsbild der Öffentlichkeit abbilden oder via Socialmedia bebildern, vertonen und betexten. Wer hier die richtige Strategie ansetzt, macht aus dem digitalen User auch einen fakturierbaren Besucher. Wer es falsch angeht, markiert mit dem digitalen Angebot auch die letzte Informationsquelle der Besuchers. K.O. in der ersten Runde.
Museumswebsites im Corpus einer übergeordneten Trägerkonstruktion
Auch im Corpus einer übergeordneten Trägerstruktur sind Museen durchaus sinnvoll aufgehoben. Kleinere Institutionen, die weder Zeit noch Ressourcen zur Umsetzung einer eigenen Website haben, werden in solchen Portalen mitunter erstmals digital sichtbar (Beispiel: das Gaudnek-Museum in Altomünster). Das ist gut so. Größere Häuser sind ebenfalls in solchen Portalen sinnvoll repräsentiert, – aber eben nicht exklusiv und solitär. Die Präsenz ist dann eher als Seitentür auf die zentrale und eigenständige Website des Museums zu verstehen. Zu den wesentlichen Aufgaben eines Listings lokaler Kultureinrichtungen im Corpus eines Stadtportals gehört die schnelle Übersicht über Kerndaten wie Öffnungszeiten, geographische Lage oder Sammlungsschwerpunkte. Ja ggf. sogar vertiefende Informationen über Highlights, aktuelle Ausstellungen oder Veranstaltungen können hier sinnvoll platziert sein. Zielgruppe dieser Angebote ist hier eher das lokale Publikum oder der Tourist, der sich über die Recherche im Stadtportal einen Eindruck über die örtlichen kulturellen Angebote verschafft. Wer mit einem solchen Angebot, das durchaus auch einmal in der 5ten Vertiefungsebene eines Stadtportals versteckt sein kann, aber glaubt die Potentiale digitaler Kommunikation, Vermittlung, Dokumentation oder Pressearbeit, wie sie eine eigene Website bieten kann, umfassend und vollumfänglich abgebildet zu haben, irrt gewaltig. Je mehr die Digitalisierung in das Leitbild und den Aufgabenbereich der Museen hinein wächst (lesenswert dazu: Kajsa Hartig „The Museum Experience as Digital First — Strategic approaches to content, conversation and audience engagement„), umso deutlicher müssen die Museen in der Lage sein, sich diesem Paradigmenwechsel professionell zu stellen.
Dagegen steht ein (zumindest in Bayern klar sichtbarer) Impuls, der Museen mitunter den Betrieb einer eigenen Website untersagt und sie zur exklusiven Präsentation im Corpus umfassender Dachportale der jeweiligen Träger verpflichtet. Bei Kommunen wird das dann gern als Versuch einer demokratischen Gleichschaltung und Vereinheitlichung städtischer Kommunikation unter der Marke der Stadt interpretiert. Der Impuls mag der Idee nach durchaus berechtigt (welche Kommune möchte nicht mit von ihr geförderten Kultureinrichtungen glänzen?) und gegen die Zerfaserung von Leitbild oder Markenbildung gerichtet sein, – wenn der Kontrollmechanismus aber notwendige professionelle Strukturen torpediert, schießt er weit über das Ziel hinaus. Das Problem setzt sich dann bekanntermaßen gerne auch noch in weitere Kommunikationsprozesse fort: Die politisch geführte Entscheidung für oder gegen Socialmedia, die Freigabe von Postings durch vorgeordnete Verwaltungsebenen, oder der untersagte Betrieb von unabhängigen Kulturportalen (etwa lokale Museumsportale) gehören leider zur digitalen Realität vieler Museen in kommunaler Trägerschaft.
Die Zusammenarbeit mit Partnern und die Sichtbarkeit auf flankierenden Portalen (von der Kommune über nationale bis zu internationalen Kulturportalen) ist eine wesentliche Aufgabe der digitalen Strategie eines Museums. Dazu gehört selbstverständlich auch eine zielführende Präsenz auf den digitalen Angeboten der jeweiligen Träger. Diese kann und wird aber nur in den seltensten Fällen eine eigene Homepage ersetzen.
Sehr gute Argumentation! Der einzige Trost ist, dass das anno 2018 nicht nur in Thüringen so ist. Ich hoffe, dass möglichst viele Museen in kommunaler Trägerschaft diesen Artikel mit ihrem Träger teilen!
Viele Grüße, Marlene
Neben den beiden Optionen „eigene Webseite“ und „Eingliederung in eine Trägerstruktur“ eines Dachverbands ist auch eine dritte Option möglich: Museen und Kunstprojekte vernetzen sich und bilden einen lockeren Zusammenschluss, ähnlich einem Joint-Venture. Diese Zusammenschlüsse beschränkten die Zusammenarbeit inhaltlich auf einige Themen. Ein Beispiel dafür wäre z.B. Das Haus der Kunst München, das Lenbachhaus München und die Stiftung Stoa 169. Diese drei Parteien haben eine gemeinsame Webseite mucarts.com ins Leben gerufen. Das gemeinsame Thema ist das „Upcycling“. Bei dem Gemeinschaftsprojekt werden alte Banner der Museen wiederverwertet.