„digital literacy becomes a key factor in enabling participation in education“
Allan Martin, Nordic Journal of Digital Literacy 2006
Von Horizonten, Leuchten und Glühwürmchen
Die Zwangsdigitalisierung durch den COVID-19-Lockdown bringt eine deutliche Chance für die digitale Transformation der Museen. „Die Welt ist in ein Entwicklerbad gefallen“ schreibt Joseph Vogl – und die Museen versuchen in dieser Flüssigkeit sichtbar und arbeitsfähig zu bleiben. Die Wucht und plötzlich überzeugende Notwendigkeit digital gestützter Prozesse in der internen bzw. externen Kommunikation und Organisationsentwicklung sowie der Bedeutungsschub für digitale Angebote an die Öffentlichkeit, aber auch die Auseinandersetzung mit den Bedarfen und Bühnen eines digitalen Publikums eröffnet in den Kultureinrichtungen seit Wochen neue Horizonte. Diese werfen ein deutliches Licht (nicht nur) auf das postdigitale Museum. Es ist zu hoffen, dass die Museen dieses Leuchten ernsthaft analysieren, sich davon motivieren und inspirieren lassen, es weiter gestalten, – bevor der Regelbetrieb wieder einsetzt und nichts als die Erinnerung an ein paar Glühwürmchen bleibt.
Digitale Transformation
Folgen wir einem von Allan Martin schon vor Jahren publizierten Modell, so entwickelt sich „Digitale Transformation“ über die digitale Kompetenz der Akteure und die konkrete Anwendung von Digitalisierung („Digital Usage“). Vor diesem Hintergrund bedeutet der sich vor dem Corona-Hintergrund „aufblätternde Frühling der digitalen Vermittlungsformate„, das „Hineingeworfensein“ in digitale Projektmanagement- und Kommunikationsumgebungen und die einsetzende Auflösung von Silodenken nicht nur eine erfrischende Strukturveränderung bzw. sprunghafte Beförderung der Kompetenzen im Mitarbeiterstamm vieler Museen (oder einen Entwicklungsschub in der Bereitstellung von relevanten IT-Umgebungen), sondern einen deutlichen Impuls über die Möglichkeiten und Potentiale digitaler Architekturen in die Organisationen hinein. Mehr als einmal habe ich in den letzten Wochen reflektierte Stellungnahmen über Videokonferenzen, kollaborative Projektmanagementtools oder cloudbasierte Arbeitsumgebungen gehört. Auf der Grundlage einer intensiven „Usage“ (und damit meine ich explicit wesentlich mehr als die kreativen Leistungen der Kommunikationsabteilungen in den Häusern) wäre das jetzt wohl die Stunde, die eigene Professionalisierung anzutreiben, strategisch zu entwickeln, nachhaltige Konzepte zu finden und die Digitalisierung auf den diversen Handlungsfeldern einzufordern.
Von der IT-Kompetenz zur Digital LIteracy
Die Entwicklung der eigenen Medien- und Digital-Kompetenz gehört heute zu den wichtigen Aufgaben, auch in den Kulturbetrieben: „Digital literacy is the ability to succeed in encounters with the electronic infrastructures and tools that make possible the world of the twenty-first century. Digital literacy has become a central enabling agent in the educational enterprise as a result of a number of trends„. Während eine allgemeine Computer-(IT-)Kompetenz seit Jahrzehnten selbstverständlicher wird, wird die Tragweite einer wesentlich umfassenderen Digitalkompetenz erst langsam deutlich. Auch wenn die EU seit Jahren in diversen Projekten nach einem Framework für Digital Literacy forscht, scheinen die entsprechenden Konzepte, zumindest in der deutschen Museumslandschaft, noch nicht wirklich greifbar. Es besteht nach wie vor die deutliche Notwendigkeit Zusammenhänge und Dimensionen zu erörtern, Begriffe zu klären und einen Rahmen zu entwickeln, der die Verortung der eigenen Aufgabenstellungen, Handlungen und Leistungen im Kontext z.B. gesellschaftlicher, technologischer und wissenschaftlicher Trends sowie des (mindestens) europäischen Bewusstseins ermöglicht.
In England wurde 1993 das „Joint Information Systems Committee“ zur Förderung digitaler Technologien in Forschung und Lehre gegründet. Die gemeinnützige Organisation definiert Digital Literacy über das hier gezeigt Modell der sieben Elemente und liefert folgende Definition: „Digital literacy looks beyond functional IT skills to describe a richer set of digital behaviours, practices and identities. What it means to be digitally literate changes over time and across contexts, so digital literacies are essentially a set of academic and professional situated practices supported by diverse and changing technologies. This definition quoted above can be used as a starting point to explore what key digital literacies are in a particular context eg university, college, service, department, subject area or professional environment.“
Im Grunde wäre es ein dankbarer Forschungsauftrag ein auf die Museen anwendbares Modell der Digital Literacy zu entwickeln, das die unterschiedlichen Kompetenzen in den einzelnen Arbeitsbereichen untersucht und entsprechende Architekturen formuliert. Vorbild könnten Umsetzungen sein, wie sie etwa 2015 an der Hochschule Luzern formuliert wurden, wo im Rahmen der eigenen Strategieplanung ein entsprechender Bezugsrahmen für die Wissenschaft vorgestellt wurde:
Zielstellung für die Museen wäre ein Framework über das nicht nur spezifische Handlungsempfehlungen formuliert, sondern auch digitale Kompetenzen in einem Anforderungsprofil der Mitarbeiter für Stellenbeschreibungen und Fortbildungsperspektiven verbindlich festgelegt werden können. Das wäre dann eine weiterer Aspekt der „professionellen Arbeit“ im Museum.
Hinweis: das für den Beitrag genutzte Titelbild („Online-Sammlung des Art Institute in Chicago. Beide Bilder sind, wie ca. 53.000 weitere, mit einer CC0-Lizenz ausgestattet.
Thomas Frye, 1760) und der Odilon Redon entstammen der