Der Infopoint Museen & Schlösser in Bayern hat zu einer Blogparade gerufen, die subjektiven Pretiosen in der Museumslandschaft gewidmet ist. Das Augenmerk gilt besonderen Exponaten, Ausstellungen oder Museen, schmucken Wieder- und Neuentdeckungen oder leidenschaftlichen Perspektiven, gegossen als „Tränen aus dem Meer“ (Jules Verne). Nun komme ich in letzter Zeit nicht viel zum Bloggen, aber eine, ganz persönliche, Museumsperle spüle ich doch gerne an diesen Museumsstrand, – auch wenn diese außerhalb der bayerischen Landesgrenzen liegt:
Schloss Ambras in Tirol
Auf der Höhe von Innsbruck rasen die meisten Italienreisenden an einem Kleinod vorbei, das ich jedem Brenner-Reisenden für einen Besuch ans Herz legen möchte: Schloss Ambras. Die Anlage ist in wenigen Minuten von der Autobahn zu erreichen und zählt für mich zu den unbedingten Highlights in Tirol.
Die Burg der Tiroler Landesfürsten wurde von Erzherzog Ferdinand II. ab 1567 zu einem aufwendigen Wohnschloß im Stil der Renaissance umgebaut. Auf dem Areal findet sich aber auch eine beeindruckende Rüstkammer sowie vor allem eine der spannendsten frühen Kunst- und Wunderkammern, die heute gerne als das „älteste Museum der Welt“ bezeichnet wird. Tatsächlich sind die Ambraser Sammlungen die einzigen (der Reniassance), die heute noch in den Gebäuden und in Teilen der Ausstattung zu sehen sind, die eigens für sie errichtet wurden. Allein diese Sammlungsräume sind eine Reise wert.
Die Anfänge musealen Sammelns in Europa
Der humanistisch gebildete Habsburger Fürst Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1529–1595) war eine der bedeutendsten Sammlerpersönlichkeiten der Geschichte und hat seine sichtbarsten Spuren auf Schloss Ambras mit dem einzigartigen Renaissance-Ensemble und den angegliederten Sammlungskomponenten hinterlassen. Sein Sammlungskonzept war bahnbrechend für die Entwicklung des Museumswesens. Er hat die „dicht gehäuften, gestapelten und gehorteten“ Sammlungsstücke einer durchdachten enzyklopädischen Präsentation zugeführt und markiert mit dieser intellektuellen Leistung einen wesentlichen Startpunkt des musealen Sammelns in Europa. In seiner Kunst- und Wunderkammer waren die Wände behängt mit Bildern, von der Decke baumelten Exotica und in der Raummitte standen deckenhohe Schrankreihen. Diese farbig gefassten 18 Kästen (zwei sind original erhalten) waren nach Material- und Themengleichheit sortiert und mit Exponaten gefüllt, die zur Betrachtung nach Bedarf herausgeholt wurden (ein Konzept, das heute wieder modern wird: vgl. dazu die geplante „Expothek“ im Badischen Landesmuseum Karlsruhe). Sammelbereiche wie Handsteine und Gesteinsproben demonstrierten die alchimistischen Leidenschaften der Sammlers, Musikinstrumente vermittelten ein Spiegelbild höfischer Kultur. Ein Teil der Ambraser Objekte ist heute im Kunsthistorischen Museum Wien gelandet und kann dort eingesehen werden. Zu den berühmtesten Sammlungsstücken gehört die Saliera von Benvenuto Cellini.
Der in Ambras verbliebene Rest gehört zu den wenigen Exponaten der Renaissance, die noch in einem originalen Museumsensemble gezeigt werden.
Die Sammlung enthielt Kristallpokale, Silber- und Goldschmiedearbeiten, Bronzeskulpturen, kostbares Glas und filigrane Drechselarbeiten. Eine Auswahl der Highlights hat das Museum hier digital verfügbar gemacht. Neben künstlerisch und handwerklich herausragenden Exponaten wurden auch wissenschaftliche Instrumente, sowie exotische und außergewöhnliche Naturalien und Porträts von Menschen oder Tieren, zusammengetragen. Die heutige Aufstellung der Ambraser Kunst- und Wunderkammer berücksichtigt alte Inventare, welche die Gegenstände und ihre Anordnung beschreiben. Das älteste davon wurde 1596 nach dem Tod Ferdinands angefertigt.
Jubiläumsjahr 2017
Tirol steht das ganze Jahr 2017 im Zeichen von Erzherzog Ferdinand II., der vor 450 Jahren seinen Einzug in Innsbruck als Tiroler Landesfürst hielt. Im Festjahr sind eine ganze Reihe besonderer Ereignissen geplant, die digital auf der Website http://www.ferdinand2017.at/ begleitet werden und auf Twitter auch einen eigenen Hashtag haben: #ferdinand2017 (der Beitragsfluß ist noch recht übrschaubar).
Das Jubiläumsjahr möchte Ferdinand II. aus dem Schatten seines Urgroßvaters Kaiser Maximilians I. und seiner ersten Gemahlin Philippine Welser holen. Er soll in die öffentliche Wahrnehmng verbracht, Facetten seiner Persönlichkeit aufgezeigt und seine herausragende Bedeutung als Sammler sowie seine Leistungen als Tiroler Landesfürst gewürdigt werden. Tatsächlich wurde die letzte Biographie zu Ferdinand II. 1888 veröffentlicht, wohingegen allein zu Philippine Welser in den letzten vier Jahren fünf Buchtitel erschienen sind. Die Blogparade bietet also eine schöne Gelegenheit hier etwas Licht zu spenden.
Schloß Ambras digital
Schloß Ambras hat eine eigene (responsive) Website, ist auf Facebook: https://www.facebook.com und Instagram aktiv und mit seinen Sammlungen dem Kunsthistorischen Museum Wien zugeordnet. Mindestens 2015 hat es ein eigenes Blog betrieben, das leider nicht fortgesetzt wurde.
Kunst- und Wunderkammern
Wer mehr über Kunst- und Wunderkammern lesen möchte, findet Anregungen bei Julius von Schlosser: Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance: ein Beitrag zur Geschichte des Sammelwesens — Leipzig, 1908 (Digitalisat an der UB Heidelberg), auf http://www.kunstkammer.at/, bei Georg Laue oder Gabriele Beßler. Und wer dann noch immer nicht genug hat und wissen möchte, warum ich zu Ambras eine besondere Beziehung habe, der greift nach meiner vor Jahrzehnten publizierten Magisterarbeit, die in der Zeitschrift Frühneuzeit-Info veröffentlicht wurde (und demnächst wohl digital verfügbar wird): „Erzherzog Ferdinand von Tirol – Konturen einer Sammlerpersönlichkeit“ (Heft 2, 1993) und „Erzherzog Ferdinand II. von Tirol und die Sammlung auf Schloß Ambras“ (Heft 1, 1994). Viel Spaß mit den Perlen!
Lieber Christian,
tausend Dank, dass Du Dir für unsere Blogparade #perlenfischen wieder Zeit zum Bloggen genommen hast (!!) und uns zur Startphase der Parade mit der Wunderkammer von Schloss Ambras in Tirol gleich an den Urquell des Prinzips Museums an sich mitnimmst! Man kommt aus dem Staunen nicht heraus: sogar das Gold geschmiedete Salzfass von Cellini – eine Ikone der Kunstgeschichte! – ist ursprünglich Bestand dieser Sammlung gewesen, die nun als Teil des KHM Wien online erschlossen ist… Auch weiterführende Literatur hast Du uns ins #perlenfischen -Paket mit eingepackt 🙂 da fällt einem doch direkt ein Stein vom Herzen, wenn man liest, dass diese Sammlung Dich schon seit Jahrzehnten begleitet 😉
Wie schön, dass Du uns diese Deine persönliche Museumsperle offenbart hast. Noch was müssen wir an dieser Stelle los werden: wir danken Dir von Herzen, dass Du unseren Bloglaunch der Musemsperlen im Herbst und die Vorbereitung der jetzigen Blogparade mit Rat und Tat im wunderbaren Austausch begleitet hast.
Viele Grüße auch im Namen von Anna und Jana (aus dem Stockwerk drunter im Alten Hof)!
Deine Sabine
Redaktions-Team Blog Museumsperlen