Wie schwört man ein ehrenwertes Museum auf ein neues Medium ein? Man veranstaltet einen Tweetup!
Naja, ganz so einfach funktioniert das dann sicher nicht. Wenn der Event aber so viel Spaß macht, regen Zulauf hat und ein weites Feld an kreativem Nachhall (deutlich über den Microbloggingdienst Twitter hinaus) erfährt, – dann kann man, frei nach Jacques-Louis David, den „Schwur der Horatier“ bereits riechen …
Tweetup, der Vierte
Am 21.Oktober hatte das Team des “aufbruch. museen und web 2.0” zum vierten Tweetup geladen. Nach den Events im Deutschen Museum (14.09.11), Haus der Kunst (29.09.11) und Stadtmuseum Penzberg (13.10.11) wurde diesmal wieder ein großes Museum in der Landeshauptstadt gewählt: das Residenzmuseum.
Nach einem Technikmuseum, einem Ausstellungshaus und einem kleinen Museum im ländlichen Umkreis hatte man sich diesmal für ein großes Haus entschieden, das von 1385 bis 1918 Wohn- und Regierungssitz der Wittelsbacher war, seit 1920 als Museum zugänglich ist und sich in jüngster Zeit ganz besonders auch dem digitalen Raum geöffnet hat. Zu dem weitverzweigten Palastkomplex gehören die berühmte Schatzkammer, das großartige Antiquarium und das prächtige Cuvilliés-Theater. Für einen, auf die Dauer einer Stunde angesetzten, Tweetup natürlich viel zu viel Programm, – und so beschieden sich die Twitter unter der fachkundigen und eloquenten Führung von Dr. Christian Quaeitzsch und Tanja Praske (großer Dank an beide für die Führung) zu einem Besuch von Antiquarium, Sonderausstellung und der neu eröffneten „Grünen Galerie“. Das Resumée gleich vorab: die Spur der in den digitalen Raum gestreuten Tweets erreichte mit exakt 125 Tweets einen neuen Rekord und potenzierte sich über Retwees und Kommentare des mitlesenden digitalen Publikums im „Off“ auf einen Stream von 150 Nachrichten. Im Rahmen der Führung war es wunderbar zu erleben, wie die via Facebook und Blog gelegte Spur zu Kunst, Geschichte und Menschen in der Residenz an den Orignalschauplätzen, den Kunstwerken und nicht zuletzt der agierenden Personen verifiziert werden konnte.
Staunen, Tippen, Taggen
Der Effekt ist wohl immer der gleiche: beim Marsch durch die prächtigen Raumfluchten, Spiegelgalerien, Audienzräume und Paradeappartements kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Zumal die Truppe der Twitterer auf dem „offiziellen Weg“ geführt wurde und sich, dank eines besonderen Schlüssels, manche Türe öffnete, die dem „normalen“ Publikum eher verschlossen bleibt. So forderte die Führung Konzentration und rauschhafte Verzückung nach dem Motto der gerade beendeten Residenzwoche: “Leidenschaft für Schönheit”.
Alte und neue Revolutionen
Über Ihr Smartphone tragen die Twitterer einen Impuls in Schloß und Museum, der manchem Fürsten eher den Angstschweiß auf die Stirn, als die Freude ins Gesicht getrieben hätte: eine Revolution. Auch wenn diese von der Technik initiiert, mit dem Attribut „digital“ und der Bewertung „positiv“ (Angela Merkel in ihrem jüngsten Podcast) beschrieben wird, so markiert sie doch auch längst für Kultur und Kommunikation einen Paradigmenwechsel. Die Öffentlichkeit hat sich neu erfunden und fordert nun auch weitere Begegnungs- und Interaktionsmöglichkeiten mit der Kunst im digitalen Raum. Es geht um neue Formen der Ausseinandersetzung, den gemeinsanen Austausch, neue Dynamiken in den Medienkulturen, Aufbrüche mithilfe und in Anwendung digitaler Plattformen. Der Tweetup ist sicher nur ein kleines Instrument des gemschaftlichen Erlebens und Twitter in seiner digitalen Struktur eben auch nur ein Mikribloggingdienst. Die verfügbaren 140 Zeichen zwingen aber zur Konzetration, fast Kontemplation, und das schnelle Feedback durch die eigenen Follower (selbstverständlich erreichen die Twitterer auch Fragen und Ansagen von externen Mitlesern) erfordert massives Multitasking.
Bei der Vorbereitung der Tweetups begegnen uns die ausgewählten Institutionen gerne in mindestens zwei Farben: einer hellen Farbe, die sich für Socialmedia begeistert und dort in der Regel auch schon aktiv ist, – und einer anderen Farbe, die das digitale Agieren in der Regel in Unkenntnis verurteilt und ablehnt. Für die Residenz ist das Urteil eindeutig: sie leuchtet. König Ludwig I. hätte wohl seine Freude: „(…) Mein Licht ist immer das erste (…)“, hat er einmal gesagt und wie Recht er da hatte. München in seiner Gesamtheit, mehr noch Bayern und sogar weite Bereiche Deutschlands, liegen dagegen noch im Dunkeln. Umso dankbarer nimmt das Publikum den Dialog mit den Wegbereitern auf, die sich dem digitalen Dialog öffnen. So versteht sich auch der Tweetup als Impuls von Aussen, der vielleicht einen Funken schürt.
Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung Thomas Krüger fragt „Was können kulturelle Institutionen und Akteure mit digitalen Medien MIT ihren Nutzerinnen und Nutzern tun?“ Und er antwortet dazu: „die Nutzer als Partner und Teil-Souveräne noch ernster als bisher zu nehmen, sie anzunehmen und zu fordern. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Möglichkeit für die Nutzerinnen und Nutzer, auf die Angebote digital zugreifen zu können und selbst damit zu agieren“. „Mehr Freiheit wagen“ hatte dazu auch die jetzige Kanzlerin beim Amtsantritt gesagt. Und was wäre passender als am Ende einer Betrachung über einen Königssitz auch die aktuelle Regierungschefin zu Wort kommen zu lassen:
Update 04.11.11: Bericht zum Tweetup auf dem Blog der Residenz München: „Multitasking – schauen, hören und zwitschern: “Twittern im Residenzmuseum”“. Lesenswert ganz besonders auch deshalb, weil er einmal die Sicht eines Museums auf einen solchen Social Media Event verdeutlicht!
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