Mein Venedig. Meine Biennale. Seit Jahren gehört der Besuch von „La Serenissmia“ und der Kunstausstellung zu den wesentlichen Leidenschaften meines Lebens. Und wie immer blicke ich zur Biennale-Zeit auch auf Strukturen und Konturen der Digitalität eines solchen kulturellen Großevents. Mal steht dabei die Online-Strategie, ein andermal die flankierenden Apps im Vordergrund. Dieses Jahr sehe ich auf Socialmedia und die digitale Signatur der Länderpavillons.
Socialmedia mit den üblichen Verdächtigen und mit/ohne Hashtag.
In den sozialen Netzwerken ist die Biennale mit den üblichen Verdächtigen vertreten: Facebook, Twitter, Instagram, YouTube und das gute alte Flickr. Neu aufgesetzt ist lediglich Instagram, das zum 20. April gestartet ist (oder neu initiiert wurde). Mit eingerichtet wurde dieses Jahr auch ein englischsprachiger RSS-Feed, der die einzelnen Biennalen voneinander unterscheidet und folgenden auch einen Feed zur Biennale Arte beinhaltet.
Als offizieller Hashtag hat sich #BiennaleArte2015 durchgesetzt, obwohl auch jede Menge anderer Tags durchs Netz rauschen. Der Tag wird auf den offiziellen Kanälen der Biennale zuweilen, vom Publikum aber überwiegend genutzt. Die Gründe warum bei solchen Großevents ein offizieller Hashtag nicht deutlich und strategisch kommuniziert wird, sind mir völlig schleierhaft. Als bündelndes Strukturelement wäre er so einfach, wie wirkungsvoll und hilfreich.
Im digitalen Dickicht der Biennale
Über den Hashtag hinaus erweist es sich auch als schwierig im Dickicht der Biennale einen Weg durch die offiziellen und inoffiziellen digitalen Offerten zu finden. Auf der Website werden zwar die eigenen sozialen Kanäle über entsprechende Links kommuniziert, eine direkte Einbindung findet aber nicht statt. Immerhin ist mittlerweile Social Sharing auf den Seiten angekommen, auch wenn es wenig inspiriert über Addtoany realisiert wurde. Hilfreiche Tools, wie etwa eine offizielle Aggregatorenseite, wie sie sich auch zur Biennale im freien Netz z.B. auf http://labiennale.social/ findet, hat man in Venedig offensichtlich nicht initiiert (jedenfalls habe ich nichts gefunden). Schade, zumal es heute so einfach geworden ist, solche Tools und Instrumente zu realisieren und in das Serviceangebot für das Publikum zu integrieren.
Alle Biennalen in einem Stream
Das eigentliche Posting der Biennale in den sozialen Medien ist dann von einem Grundproblem gekennzeichnet: es transportiert nicht nur Inhalte zu einer Biennale, sondern zu allen. Filmfest, Kunst-, Architektur- und Tanzbiennale etc. laufen wild durcheinander. Umso hilfreicher wäre hier ein wenig Struktur über dezidierte Hashtags, Feeds oder Aggregatoren, die den Content dann wieder nachvollziehbar separieren. Hier könnte man deutlich optimieren.
Die Postings selbst folgen dann einem in Ansätzen nachvollziehbaren Rhythmus: Auf Instagram jeden Tag ein Bildchen, bei dem man sich in den Kommentaren aber auch schon einmal auf einen Dialog einlässt. Auf YouTube jede Woche eine Handvoll Filme, im Durchschnitt um die 3 Minuten, zuweilen kurze Künstlerstatements, aber auch längere Beiträge von Kuratoren, Managern oder Jurymitgliedern. Gerade die vielen flankierenden Aktionen zur Biennale, wie etwa die Lesungen aus dem „Kapital“ von Karl Marx, bieten sich für solche Dokumentationen an, finden sich dann aber nur selektiv im Portfolio. Die übersichtlichen Zugriffszahlen auf die Videos machen auch schnell deutlich, dass die Möglichkeiten dieser Plattform noch nicht einmal im Ansatz genutzt werden. YouTube wird lediglich als Videoplayer integriert, nicht als Kommunikations- und Communityplattform. Die meisten Views hat ein Video über den armenischen Pavillon, der dieses Jahr mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Das Thema Livestreaming ist mir im Kontext der Biennale nicht begegnet, für Events in der „Arena“ hätte sich das aber sicher angeboten.
Auf Twitter ist man fleißiger dabei und agiert, je nach Thema und Content, auch mit mehreren Postings in Italienisch und Englisch pro Tag. Das Konzept bleibt aber stark monologisch und nur vorsichtig erzählend, bildbasiert und wenig interaktiv. Auf Twitter spürt man, dass die agierenden Strukturen mehr könnten und wollten, aber offenbar mit knappen Zeitressourcen gesegnet sind.
Auch auf Facebook (überwiegend in Italienisch) laufen in 1-2 tägigem Rhythmus die verschiedenen Biennalen durcheinander. Das Posting zur Kunstbiennale transportiert vielfach Videos (aus dem eigenen Youtube-Kanal) und flankiert diese mit Statements der teilnehmenden Künstler. Die Postings sind nahezu durchgehend bebildert, entwachsen aber doch auch wieder deutlich einem Kommunikationskonzept, das sich an klassischer Pressearbeit orientiert. Eine digitale Community wird auch hier eher nicht intendiert und aufgebaut. Die Kommunikaton ist professionell, wirkt aber eher seelenlos.
Résumé
Im Résumé würde ich, im Blick auf die vorangegangenen Biennalen, sagen, dass die Arbeit in den sozialen Medien professionalisiert wurde, aber die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft werden. Das Kommunikationskonzept atmet sehr deutlich eine klassische Pressesprache, spielt nicht mit den Parametern der sozialen Medien und hat auch keinen Blick auf eine echte globale Community. Innovative Konzepte und Ansätze habe ich nicht gefunden. Die Ursachen mögen vielschichtig sein, – allein die angezogene Handbremse bei den Akteuren kann man beinahe riechen. Da wäre viel mehr drin.
Länderpavillons im Web.
Viele der 89 Ländervertretungen auf der Biennale haben eine eigene Webpräsenz. Dabei kann man echte dezidierte Websites (wie z.B. für den Pavillon Österreichs) von flankierenden Websites von jeweiligen Träger- oder Partnerinstitutionen (wie Bsp. bei Japan) unterscheiden. Zudem sind viele der agierenden Institutionen in den sozialen Medien aktiv und publizieren aktuelle Informationen, Pressemeldungen und vertiefendes Material. Auch hier wurden zu Teilen eigene und neue Accounts eingerichtet oder schon existierende Accounts der jeweiligen Träger mitgenutzt (Bsp.: USA mit mit dem MIT Twitter und Facebook Account). Beides ist legitim und im Blick auf Multiplikatoren und vorhandene Communities sinnvoll. Wenn allerdings auf den verlinkten Kanälen nur minimal Content zur Biennale publiziert wird, darf man schnell die Sinnfrage stellen.
Schade ist sicher, daß es die Biennale auch dieses Jahr wieder nicht geschafft hat, eine zentrale Übersicht zu diesen vielen Angeboten zu publizieren. Hier gehen nicht nur viele spannende Informationen im digitalen Nirwana verloren, – zudem wird den vielen inspirierenden und in die Medien flutenden Impressionen bzw. Leidenschaften des Publikums kein Forum angeboten. Den digitalen Dialog haben die Macher noch immer nicht begonnen oder verstanden.
Ein paar der Pavillons habe ich hier zusammen getragen (Accounts in den sozialen Medien, die nicht explizit für die Biennale in Venedig geführt werden, sind nicht aufgeführt):
Land | Website | Youtube | Vimeo | |||
Armenia | http://www.armenity.net | |||||
Australia | http://www.australiacouncil.gov.au/strategies-and-frameworks/venice-biennale/ | X | ||||
Austria | http://www.austrianpavilion.at/ | X | ||||
Azerbaijan | http://www.azerbaijanvenicebiennale.com/ | |||||
Canada | http://www.gallery.ca/venice/ | |||||
Germany | http://www.deutscher-pavillon.org/2015/ | X | ||||
Great Britain | http://venicebiennale.britishcouncil.org | |||||
Japan | https://www.jpf.go.jp | |||||
Korea | http://www.koreanpavilion2015.com/ | |||||
Netherlands | http://www.mondriaanfonds.nl | |||||
New Zealand | http://www.nzatvenice.com | X | X | |||
Poland | http://www.labiennale.art.pl | X | X | |||
Romania | http://www.venicebiennale.ro/ | |||||
Russia | http://www.ruspavilion.ru | |||||
Scotland | http://scotlandandvenice.com/ | X | X | X | ||
Slowenia | http://www.utter-project.net/ | |||||
Swiss | https://biennials.ch | X | X | X | ||
Ukraine | http://pinchukartcentre.org | X | X | |||
United Arab Emirates | http://nationalpavilionuae.org | X | X | X | X | |
United States of America | http://joanjonasvenice2015.com/ |
Ganz furchtbar finde ich ehrlich gesagt die Homepage da sollte sich mehr tun! Und auch die Tatsache, dass es keine fixen # gibt ärgerte mich, muss man die Zeichen für 3 hashtags aufbrauchen
Vielen Dank für diesen interessanten und diskussionswürdigen Beitrag! Das Problem, das du beschreibst, fällt mir generell im Kontext zeitgenössischer Kunst auf. Ich frage mich, ob es System hat. 1. sind die Veranstaltungen eh gut besucht und stehen nicht unter Legitimationszwang, sondern 2. sind sie im Gegenteil selbst legitimierende Instrumentarien. Das impliziert m.E. eher den Molog statt die Interaktion.
Hallo Christian,
danke für diesen interessanten Blick aufs Digitale der Biennale Arte Venezia 2015. Manche der Aspekte, die du beschreibst, sind mir auch schon aufgefallen. Dieses Jahr hat leider auch das wifi auf dem Biennale-Gelände sehr schlecht bis kaum funktioniert. Schade! 2011 gab es mal eine App zur Biennale. Leider gibt es auch dazu kein update. Digital ist die Biennale Arte Venezia noch nicht in der Gegenwart angekommen! Dabei ist die digitale Welt doch sicher: „all the world’s futures“ 🙂
Cordiali Saluti, Andrea