Groß, malerisch, mit ungeheurer Farbkraft – und voller Anspielungen auf die (nicht nur Kunst-) Geschichte zeigt sich Georg Baselitz in einer sehenswerten Ausstellung im Haus der Kunst (19.09.14 – 01.02.15). Die Werkschau versteht sich nicht als Retrospektive, vereint aber große Gemälde und Skulptur von den sechziger Jahren bis zur Gegenwart und ist mit Leihgaben aus ganz Europa und Übersee bestückt.
Kritische Reflexion des eigenen Werks und Remix mit der Kunstgeschichte
Eines der prägenden Merkmale im Schaffen von Georg Baselitz (geb. 1938) ist die kritische Reflexion des eigenen Werks vor einem veränderten Zeithintergrund. In den vergangenen zehn Jahren hat diese Selbstanalyse einen breiten Raum eingenommen. Baselitz unterzieht darin die bestimmenden Eigenschaften der ursprünglichen Fassungen einem erneuerten formalen Zugriff. Dem einst kraftvollen Duktus und gesättigten Farbauftrag stellt er in den „Remix“-Bildern die luzide Transparenz eines Farbdrippings gegenüber, das die Motive nachgerade verflüssigt und zeichnerisch auflöst. Diese Leichtigkeit der Herangehensweise wirkt wie eine Befreiung der Darstellung von Inhalt und Bedeutung, die das eigene Denken und Schaffen in eine zeitgenössische Tonart überführt. Gleichzeitig interagiert er mit dem Werk anderer Künstler wie Otto Dix, Edvard Munch, Piet Mondrian, Willem de Kooning oder Jackson Pollock. eine spannende Entdeckungsreise für jeden Besucher. Die seit 2012 entstandenen „Schwarzen Bilder“ erscheinen als eine Umkehrung dieses formalen Ansatzes, welche das abseitige Wesen in Baselitz‘ Schaffen aufruft.
Die schwarzen Bronze-Skulpturen
Die Ausstellung zeigt neben den neuen Werkreihen des Künstlers auch die parallel entstandenen Bronze-Skulpturen. In diesen monumentalen schwarzen Skulpturen vollendet sich der Künstler als echter Bildhauer. Er zeigt formale bzw. inhaltliche Rückbezüge, die neben figurativen Referenzen zugleich die bildnerische Funktion der bildlichen wie der fotografischen Umkehrung relativieren. Die ausnahmslos schwarz patinierten Skulpturen erscheinen genauso ‚verdunkelt‘ wie die zeitgleich gemalten „Schwarzen Bilder“. Gegenständliche Motive aus Baselitz‘ Gemälden kehren auch in den Skulpturen wieder; sie stellen kunsthistorische und biografische Bezüge her. Eine besonders plastische Verbindung stellt die „BDM Gruppe“ (2012) her, die ikonografische Anspielungen mit persönlichen Themen vereint. Der Bedeutungsraum der drei Figuren ist von Erinnerungen des Künstlers überlagert, wobei die Tradition der „drei Grazien“ im Verhältnis dazu beinahe umgekehrt erscheint. Die Figurengruppe geht auf Baselitz‘ Erinnerungen an seine Schwester zurück, die Mitglied des BDM (Bund Deutscher Mädel) war, des weiblichen Zweigs der Hitlerjugend. Daß monumentale Bronzeskulpturen beinahe „zärtlich“ sein können, beweist Baselitz dann im Nebenraum bei der Figurengruppe „Sing Sang Zero“ (2011) die als Doppelporträt des Künstlers und seiner Frau zu erkennen ist. Die jüngste Bronzeskulptur, „Zero Ende“ (2014), verbindet zwei Totenschädel zu einer Art Hantel, die von sieben Ringen umgeben ist: ein Symbol für die Verbindung zweier Lebenswege.
Tanja Praske hat auf Ihrem Blog nach einem Kulturtipp gefragt. Das hier wär meiner. Und er ist ernst gemeint. Hingehen!
Haus der Kunst, München
Georg Baselitz — Damals, dazwischen und heute
Ausstellung 19.09.14 – 01.02.15
Weitere Informationen: http://www.hausderkunst.de/ausstellungen/detail/georg-baselitz/
Infostream zur Ausstellung auch via Buzztale: https://buzztale.com/haus_der_kunst/64a389
Lieber Christian,
Turbo-Blogger und großer Inspirator – merci beaucoup für deinen herrlichen Beitrag zu #KultTipp. Du bist der Erste und ich bin gerüht, dass du bei meiner Blogparade mitmachst – ausgerechnet mit #Baselitz.
Zur Eröffnungsfeier konnte ich leider nicht kommen, habe aber auf Twitter geschielt. Was ich dort las und sa, schürte bereits meinen Appetit auf die Ausstellung. Du hast daraus „Gier“ auf mehr gemacht!. #Baselitz im Haus der Kunst ist definitiv auf meiner Besuchsagenda. Vermutlich werde ich dann deinen Artikel im Kopf haben – wunderbar!
Vielen herzlichen Dank für diesen famosen Beitrag.
Herzlich
Tanja