Die Duisburger Philharmoniker haben ihren Blog DaCapo eingestellt. Damit findet nicht nur ein sehr erfolgreiches Projekt, sondern auch ein wesentliches Stück deutscher Social-Media-Geschichte im Kulturbereich ihr Ende. Drei Jahre lang hat der Blog eine Pionierleistung markiert, zahllose Institutionen zur Nachahmung inspiriert und vor allem über weite Strecken erfolgreich Namen, Ruf und Leistung des Orchesters in die Welt geblasen. Am 3.September wurde ein Schlussstrich gesetzt: „(…) Hinter den letzten Noten folgt in einer Partitur meistens ein dicker Taktstrich – hier ist das Stück eigentlich zu Ende. Manchmal aber hat der Komponist das Bedürfnis nochmal die Anfangstakte bis zu einem gewissem Punkt zu wiederholen und um unnötige Wiederholungen nicht neu schreiben zu müssen, schreibt man in solchen Fällen einfach “Da capo al fine” in die Partitur. (…)“. Um den (digitalen) Kontakt mit dem Publikum nicht zu verlieren, wurde im letzten Posting noch auf Facebook, Twitter und die (mit Verlaub: ziemlich unhandliche und wenig inspirierende) Webseite verwiesen. In dieser Ansetzung erscheint die Entscheidung für das Ende des Blogs als ein massiver Rückschritt in der Kommunikation und Aussendarstellung. Schade.
In einem Interview mit dem Kulturmanagement Network bezog der verantwortliche Intendant, Dr. Alfred Wendel, Stellung: „(…) Dieser Schritt war schon seit einem halben Jahr geplant. Es ist einfach eine Frage der Prioriätensetzung. In der Tat ist es sehr aufwändig: die Idee war ja, dass auch die Orchestermusiker einbezogen werden, indem sie Hintergrundinformation bringen. Das hat auch am Anfang sehr gut funktioniert, es hat sich nur gezeigt, dass im Laufe der Jahre die Kapazitäten nachlassen. Deshalb haben wir uns entschieden, diesen Blog jetzt aufzugeben. Es war ein Projekt, was wunderbar gelaufen ist und eine schöne Erfahrung war. Wir haben diesen Bloganteil nun auf unsere Website überführt (…)“.
Über die weiteren Hintergründe der Schliessung wird derzeit noch eifrig diskutiert. Lesenswert meines Erachtens vor allem die Stellungname von Christian Henner-Fehr (einschließlich der anschliessenden Kommentare) und die Beiträge von Frank Tentler, der als Urvater der Initiative eine verständlich leidenschaftliche Feder führt.
Sinn und Unsinn von (externen) Blogs für Kultureinrichtungen
Ausgelöst hat dieses Ereignis auch eine Diskussion über Sinn und Unsinn von (externen?) Blogs für Kultureinrichtungen. Auf der einen Seite ist es Axel Kopp, der die Blogs für „tot“ erklärt: „(…) der „klassische“ externe Blog mit dem Blick hinter die Kulissen und dem Fokus, die eigenen Veranstaltungen zu vermarkten, hat meines Erachtens ausgedient (…)“. Auf der anderen Seite steht mindestens Christian Spließ, der eine nicht minder deutliche Antwort formuliert: „(…) Das Blog mit Hintergrundinformationen lebt gerade in Hinsicht auf das Transmedia Storytelling auf (…)“.
In Teilen der Diskussion haben beide Recht: Axel Kopp, wo er auf die, in der Regel, prekäre finanzielle Situation der Kultureinrichtungen, verweisst, die mit einem Blog Mittel (und Ressourcen) bindet und zur permaneneten Evaluation gezwungen ist. Diesen Fokus haben wir aber nur, wenn wir das Blog einzig als Marketing-Intrument verstehen und nicht auch als wichtigen Beitrag zur eigenen Identität und Kultur im digitalen Raum. „Aus den Marketing-Abteilungen rausholen“ heisst das dann als Devise für den Blog zurecht bei Axel Koop. Falsch ist aber sicher die These, dass das Blog kein Publikum zieht (für Duisburg steht die Aussage von Dr. Wendel, „dass nur 2% der Konzertbesucher den Blog regelmäßig genutzt haben und die meisten ihn überhaupt nicht kannten“). Und klar, es kommt natürlich auf Konzept, Qualität und Rhythmus der Beiträge an. Aber auch ein schlechtes Konzert oder eine langweilige Ausstellung wirken sich auf die Publikumsfrequenz negativ aus. Und wenn der Blog nicht gut besucht ist, mag es auch daran liegen, dass das Instrument selbst schlecht kommuniziert (und vernetzt) ist. Leider kenne wir viele Institutionen, die Ihre eigenen digitalen Kanäle nur schlecht kommunizieren (bitte prüfen Sie die eigene Website über die entsprechende Information!) oder informieren das Personal nicht ausreichend, dass das eigene Haus auch auf den sozialen Plattformen aktiv und womöglich sogar richtig erfolgreich ist.
Blogs von Ai Weiwei bis zur „Sendung mit der Maus“
Ein schönes Gegenbeispiel für den Erfolg eines Blogs aus dem Münchner Kontext wäre das Blog des Haus der Kunst zur Ausstellung von Ai Weiwei, der bei einzelnen Posts an die 40.000 Views und leidenschaftliche internationale Diskussionen mit vielen Kommentaren brachte. Mit der Verhaftung Ai Weiweis durch die chinesischen Behörden sprang das Blog jüngst sogar wieder an (aus Initiaven resp. über Kommentare des Publikums) und musste durch das Haus der Kunst erst wieder eingebremst werden. Offenbar hatte sich das Instrument im digitalen Dialog über den Künstler so verankert, dass das Publikum hier ein etabliertes Forum vermutete. Klar, Ai Weiwei ist ein Star der Kunstszene und sucht inbesondere auch den digitalen, weil grenzenlosen, Dialog. Als Informationsinstrument und Dialogplattform war diese Initiave aber unschlagbar und höchst erfolgreich.
Gerade der Blick hinter die Kulissen, in die dem Publikum in der Regel unsichtbaren Bereiche, sei es der Aufbau einer Ausstellung, die Restaurierung von Räumen (Bsp.: Blog der Residenz München), die Geschichte einer Sammlung (Bsp.: Blog des Deutschen Museums) oder aktuelle Ereignisse (Bsp.: Besuch der „Sendung mit der Maus“ im Deutschen Museum, Dokumentation eigener Aktivitäten im Ausland oder Specials für Blogger im Museum à la „Month in a museum„) schaffen faszinierende Lebendigkeit, Tranparenz und Authentizität jenseits des klassischen Diskurses. Zudem zeigt der Blick ins Ausland, wie lebhafte Diskussionen die eigene Kulturarbeit begleiten, befruchten und dokumentieren (immer wieder schön der Blick ins Blog der Tate oder in die Blogosphäre des Brooklyn Museum). Sicher, jedes Blog ist ein aufwendiges Unterfangen und als Maßnahme womöglich auch temporär befristet. Im Unterschied zu den anderen sozialen Plattformen bietet es aber Raum für ausführlichere Darstellungen und einen ruhigeren Contentfluß. Womöglich liegt es für viele Kultureinrichtungen sogar dichter an den tradierten Printpublikationen und wirkt daher vertrauter und seriöser. In jedem Fall hat es eine andere Wucht und Wahrnehmung als der schnelle Stream auf Facebook, Google+ oder Twitter. Es geht eben genau, wie Christian Spließ sagt, um Transmedia Storytelling, also die Vernetzung von Instrumenten und Inhalten. Dabei gibt es so viele spannende Konzepte, ob als Kundenmagazin wie das (lesenwerte) Schirn-Magazin, das zweckgebundene Initiativblog des Staedel oder den Klassiker wie das Blog des Jüdischen Museum in München. Für „Tot“ oder „überholt“ halte ich diese Instrumente im kulturellen Diskurs aber noch lange nicht, – wir fangen doch gerade erst an.
Apropops, lieber Axel Koop. Zum Abschluß noch eine aktuelle Stellungnahme des Webteams (in persona Marco Eisenack) vom Jüdischen Museum in München (dem Blog hast Du in Deinem Post keine Überlebenschance eingeräumt): „(…) Die Erfahrung hat gezeigt: Hauseigene Kulturblogs bieten eine optimale Möglichkeit, um durch multimediale Inhalten das Interesse bei neuen Besuchergruppen zu wecken, kostengünstig und effizient Werbung für Events und Ausstellungen zu machen sowie die Arbeit des Hauses umfassend zu dokumentieren. Hier sind noch lange nicht alle Möglichkeiten des Mediums ausgeschöpft. Aus diesen Gründen herrscht in unserer Redaktion auch weiterhin experimentierfreudige Aufbruchstimmung (…)“.
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Die Diskussion über das Verhältnis von Aufwand und Ertrag eines eigenen Kultur-Blogs ist ja nicht neu: Fest steht wohl, dass es darauf keine pauschale Antwort geben kann. Die Antwort hängt wohl zu stark von der Zielgruppe des Kulturbetriebs, den inhaltlichen Ansprüchen eines Museums und den finanziellen und räumlichen Rahmenbedingungen eines Hauses ab. Für das Jüdische Museum München ging es immer auch darum, das Hintergründe und das nach aussen nicht Sichtbare rund um die Museumsarbeit, jenseits des Ausstellungsprogramms hier ein Forum bekommen. Dazu gehört Geschichten zu erzählen, Wissen zu vermitteln, zu interagieren und auch einfach mal mit Gewinnspielen zu unterhalten. Mit wöchentlichen Blog-Meetings und dem Erstellen der Blogbeiträge durch wechselnde Mitarbeiter und Gastautoren bei einer externen Betreuung durch uns als Agentur wurde für das Blog eine Form gefunden, die sich nach innen und außen bestens bewährt hat. So blickt das Team nach gut einem Jahr Pilotphase zuversichtlich und mit vielen Plänen in die Zukunft der Blogosphäre. Auch Mitarbeiter, die dem eigenen Blog anfangs skeptisch gegenüber standen, sind inzwischen mit viel Pioniergeist und Enthusiasmus dabei.
Marco Eisenack, text:bau – Agentur für Medien und Kommunikation, zuständig für die redaktionelle Betreuung des Blogs.
Marco Eisenack ist zuzustimmen, wenn er schreibt, dass es schwer sei, den Ertrag eines Blogs zu bestimmen. Wenn ein Blog sich von einer klassischen Website dadurch unterscheidet, dass es Kommentare und damit das Gespräch erlaubt, dann sollten Gespräche auch angestrebt werden, sonst kann man sich ein Blog sparen.
Wenn das Blog des Jüdischen Museums dazu beigetragen hat, dass nach einiger Zeit alle oder die meisten MitarbeiterInnen vom Blog begeistert sind, dann muss es dort einen Austausch gegeben haben. Zwar intern, so dass man ihn auf dem Blog nicht wahrnehmen kann, aber das spielt letzten Endes keine Rolle.
Die Frage ist aber, was passiert, wenn die Begeisterung nachlässt, weil unter anderem der Reiz des Neuen nicht mehr so motivierend wirkt? Meiner Meinung nach muss es gelingen, Gespräche zu initiieren, Gespräche, von denen dann beide Seiten profitieren.
Ich habe mir gerade das Blog des Residenztheaters noch einmal genau angesehen. Ich bin beeindruckt von der Qualität der Beiträge. Trotzdem muss es in der nächsten Zeit gelingen, Gespräche zu initiieren, denn sonst verpufft diese Leistung. Oder man gerät wieder in das Web 1.0-Fahrwasser, was schade wäre.
Ich glaube, ihr redet von der Residenz – also dem Museum und nicht dem Theater – oder?
@Marco: stimmt, kleine Korrektur zu Christians Kommentar: es geht um das Residenzmuseum (Website: http://www.residenz-muenchen.de/deutsch/museum/index.htm bzw. Blog: http://www.residenz-muenchen-blog.de) und nicht das Residenztheater (http://www.residenztheater.de/).
ja sorry, ich meinte die Residenz und nicht das Theater.
Was gibt es für eine bessere Antwort auf die ganze Diskussion, als sofort ein eigenes Blog zu starten? Das Literaturfest des Literaturhaus München tut es: http://www.fabmuc.de:
„(…) Warum ein Blog, wo es doch eigentlich um Bücher gehen soll, um Lesungen, Diskussionen, ein großes Literaturfest? Warum nicht. Schließlich gehören Blogs im Jahr 2011 zu unser aller Online-Alltag. Bestenfalls kommt dabei sogar ein weiteres Stück Literatur heraus, zumindest könnte sie in gewissen Formulierungen immer mal wieder aufblitzen. Vielleicht ist ein Blog seinem Wesen nach ein großes Versprechen – und nur durch die gebündelte Kreativität der Community einzulösen. Vielleicht aber auch ein zusammengesampeltes Armutszeugnis, das den Satz „Jeder ist ein Künstler“ (resp. „Jeder ist ein Kritiker“) trefflich widerlegt. Wir werden sehen. Auf jeden Fall ist es ein reichlich meisenfreies Medium, so rasend kommunikativ, daß jeder neue Beitrag das Ganze verändert. (…)“.
Applaus!
Die hitzige Debatte pro oder contra Blogs von Kulturinstitutionen ist spannend. Auch wenn es schon länger Blogs gibt oder gab, so bleibt vieles doch noch neu und in Bewegung – sicherlich, am Ende muss ein Resultat her. Aber was kann hierfür der Gradmesser sein? Sind es die Besuchszahlen des Blogs? Oder des Museums? Ist es die Quantität oder die Qualität der Kommentare, oder beides? Ich kann nur aus der Erfahrung mit unserem Blog (www.residenz-muenchen-blog.de) sprechen, und der ist gerade einmal zwei Monate alt – den Kinderschuhen also noch nicht entwachsen.
Wir haben eine eindeutige Zielrichtung formuliert: Wir wollen einen Blick hinter die Kulissen geben, wir wollen begeistern und Kunst und Geschichte lebendig vermitteln. Wir wollen aber auch die Residenz mit ihren vielen Räumen und Kunstwerken für den Laien mental leichter zugänglich machen. Wenn uns das gelingt, haben wir ein großes Ziel erreicht. Ob hierzu aber die Anzahl der Kommentare ausschlaggebend ist, erscheint mir zweifelhaft. Just nach dem Beitrag von @Christian Henner-Fehr wurde der erste Artikel von uns ausführlich kommentiert. Jemand hat sich mit der Residenz gezielt auseinandergesetzt und das ist prima! Ein weiterer Artikel provozierte auf unserer Facebookseite eine Nachfrage. Der Anfang ist also gemacht. Wie sich das Ganze aber entwickeln wird, bleibt vorerst noch unvorhersehbar. Nicht anders verhält es sich mit Führungen durch das Museum – das Konzept dazu ist da, aber das Publikum, wenn es sich beteiligt und das ist gewünscht, vermag eine andere Richtung vorgeben. Darauf ist einzugehen. Gespräche sind angestrebt, können aber nicht erzwungen werden. Und vielleicht hilft auch gerade hier die Erfahrung aus der Offline-Welt – der direkte Austausch mit dem Publikum.
Ein weiterer Beweggrund für den Start unseres Blogs war das „Ins-Leere-Laufen“ von harter Arbeit. Für Sonderausstellungen oder Sanierungen wird viel im Hintergrund gearbeitet. Davon sieht der Besucher nur einen kleinen Ausschnitt. Oft sammelt sich eine große Fülle an Material und Rechercheergebnissen an, die, wenn keine Publikation vorgesehen ist, einfach in der Schublade verschwindet. Dieses „Einfach-Verschwinden-lassen“ wollen wir nicht mehr. Wir möchten unser Wissen weitergeben. Im Idealfall möchten wir Gedankenanstöße vermitteln und erhalten. Der Weg dahin ist noch steinig – aber die Zeit, ihn begehbarer zu machen, die nehmen wir uns. Überraschungen inklusive.
@Christian Henner-Fehr, danke für die Wertschätzung unseres Blogs, wir arbeiten daran, dass unsere Geschichten faszinieren.
Tanja Praske, Volontärin, zuständig für die redaktionelle Betreuung des Blogs.
Stimmt, die derzeit laufende Diskussion ist spannend und ich bin gespannt, in welche Richtung sie sich noch entwickelt. Blogs sind für mich Gesprächsangebote, das unterscheidet sie von der statischen Website, auf der Interaktion nicht möglich ist. Institutionen können keine Gespräche führen, es sind die MitarbeiterInnen, die kommunizieren. Nur muss man sie auch lassen, tut man das nicht, ist das Blog meist zum Scheitern verurteilt. Das heißt, die Unternehmenskultur ist ein entscheidender Faktor, wenn es um den Erfolg eines Blogs geht.
Blogs an sich werden weiter das a und o sein, jedoch mehr in hand der großen firmen.. jede band, jede große cd, jedes großes fest bekommt mittlerweile einen eigenen blog.