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Iliou melathron

Blog von Christian Gries / ISSN 2197-7747

Einen (Rück)Blick wert: Die App von John Baldessari "In Still Life 2001-2010"

Einen (Rück)Blick wert: Die App von John Baldessari "In Still Life 2001-2010"

Die App ist zwei Jahre alt, zählt aber, auch gerade wegen ihrer scheinbaren Simplizität, noch immer zu meinen Favoriten: 2010 veröffentlichte der US-amerikanische Konzept- und Medienkünstler John Baldessari eine App (für iphone und iPad), über die der Benutzer 38 Objekte aus einem Stillleben des niederländischen Malers Abraham van Beyeren (1620-1690) neu arangieren kann.
Die App wurde zum Anlass einer Werkschau Baldessaris im LACMA (‘Pure Beauty’) von ForYourArt publiziert und basiert auf einem Werk (“Banquet Still Life„, 1667) aus der Sammlung des Hauses.
Frühere Version des Projekts
Baldessari hatte bereits 2001, ebenfalls auf der Grundlage des Stilllebens von van Beyeren, eine frühere Version des Projektsrealisiert, in der die Besucher des LACMA einen iMac nutzen konnten, um ihre eigenen Kompositionen zu erstellen und diese in einen leeren Rahmen an der Museumswand zu übertragen:

LACMA: JOHN BALDESSARI, "In Still Life" (Bildquelle: http://www.lacma.org/seeing/baldessari.html)
LACMA: JOHN BALDESSARI, „In Still Life“ (Bildquelle: http://www.lacma.org/seeing/baldessari.html)

„Throughout the process, the visitor is focused entirely on a single painting, observing it in both its original and altered states. The visitor can print their variation on the painting and take it home, or e-mail the image from the gallery.“
Über die Flüchtigkeit der Dinge
„When someone completes their own still life using In Still Life 2001-2010 it becomes their own artwork,“ sagt John Baldessari. „It’s not mine. It’s theirs. Still lifes are about the fleeting things in life. Each object has a symbolicmeaning attached to it. My interest in still lifes goes back to beginning art courses and having to endlessly paint from them. There was always a room where the instructors stored all the props. And the one prop I hated was the cow skull, which an old instructor of mine, a Georgia O’Keeffe fan, used to always trot out. But of course the typical objects are things like the guitar, the wine bottle, the loaf of bread, which are not so interesting. Even now it’s very hard for me to look at one of those typical Braque or Picasso still lifes and not want to rearrange it! I just want to make it a little more upbeat, a little more dynamic and less static. I chose Banquet Still Life (1667) for the original In Still Life because I wanted to use a typical 17th-century Dutch still life. The lobster is the most important object in the painting. I’m just anticipating everyone trying to make the lobster dance.“
John Baldessari: „Ich will keine langweilige Kunst mehr machen“
Baldessari, der übrigens 2012 den Kaiserring der Stadt Goslar erhalten hat, untersucht seit vielen Jahren in seinem Werk die Mechanismen der (medialen) Repräsentation und die definitorische Macht der Bilder. Seine Arbeiten machen aufmerksam, deuten auf etwas hin und führen exemplarisch vor, wie das Bild selbst den Blick des Betrachters lenkt. Häufiges Stilmittel ist dabei die Collage bzw. der Beschnitt und die Bearbeitetung des Bildmaterials in Verbindung mit Texten. Seine Montagen spielen mit narrativen Assoziationen und bieten ein breiteres (gerne auch ironisierendes) Deutungsspektrum. Bei der Frage, wie wie relativ Bedeutung sein kann, macht er auch vor den Mechanismen des Museumskontext nicht halt. Wer mehr über Baldessari wissen möchte, sei auf diesen großartigen Video (Sprecher. Tom Waits!) verwiesen, der in sechs Minuten alles über den Künstler sagt:

App als Werk im Oeuvre des Künstler
Die App bedeutet also ganz wesentlich nicht nur eine nette Spiele über ein Stilleben aus dem 17.Jahrhundert in der Sammlung des LACMA, sondern gliedert sich auch nahtlos in das Oeuvre des Künstlers John Baldessari ein. In ihrer scheinbaren Simplizität illustriert sie grundlegende Mechanismen der Stilllebenmalerei, hinterfragt die Bedeutung der Dinge bzw. der Abbildungen und bietet partizipatorische Ansätze für das Publikum (eine Auswahl der von den Anwendern erstellten Neu-Arrangements wurde übrigens auf Flickr in einem Fotostream publiziert). Und das beste: alles ist ganz einfach und simpel. Die App ist als Auftrag des Museums an den Künstler entstanden und macht deutlich, wie Museen mit den neuen Medien interagieren können.
Infos und Download der (kostenlosen) App über die offizielle Website oder via iTunes.
Links:
http://www.in-still-life.com (Website zur App)

http://www.baldessari.org (Website des Künstlers)
Hunter Drohojowska-Philp, THE BORING AND THE BEAUTIFUL (artnet)
Juri Finkel, John Baldessari teams up with ForYourArt (and a 17th century Dutch painter) on new iPhone app (latimesblog)

2 comments

  1. Pixelgeneral says:

    Info über schöne, von Künstlern ausgeführte und inspirierte Apps auch hier: http://rhizome.org/editorial/2012/jul/3/art-your-pocket-3-sensor-driven-ipad-and-iphone-ar/

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