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Iliou melathron

Blog von Christian Gries / ISSN 2197-7747

“Twittern im Museum” – 2 – Tweetup im Haus der Kunst

“Twittern im Museum” – 2 – Tweetup im Haus der Kunst

Haus der Kunst. Fassade Süden mit Sprachskulptur von Lawrence Weiner; Foto: Jens Weber, München; Quelle: www.hausderkunst.de
Haus der Kunst. Fassade Süden mit Sprachskulptur von Lawrence Weiner; Foto: Jens Weber, München; Quelle: www.hausderkunst.de

Der zweite Tweetup ist vorüber, – das Team des “aufbruch. museen und web 2.0” hatte, nach der Aktion im Deutschen Museum, am 29. September 2011 zu einem weiteren Besuch eines Ausstellungshauses und gemeinschaftlichen Twittern geladen. Die Initiative war der zweite Event einer Serie in verschiedenen Museen, Theatern und Bibliotheken, über die in den digitalen Medien rechtzeitig informiert werden wird. Grundsätzlich ist zu diesen Aktionen jeder eingeladen, der ein Smartphone besitzt und über einen eigenen Twitteraccount verfügt.
Twittern im Haus der Kunst
Im #hausderkunst wurden die Twitterer von der Marketingleiterin Petra Ronzani begrüsst, die auch für die Facebook-Seite und den Twitter-Account des Hauses (@haus_der_kunst) verantwortlich zeichnet. Nicht nur mit diesen Initiativen, sondern auch mit erfolgreichen Blogs (http://aiweiwei.blog.hausderkunst.de/) und einem breit aufgestellten Netzwerk im Web 2.0, markiert das Haus eine erfolgreiche Position im digitalen Raum, die hoffentlich auch unter dem neuen Direktor Okwui Enwezor fortgesetzt wird.
Ziel des Tweetups war eine exklusive und eigens für den Event inszenierte Führung durch die Ausstellung „carlo mollino – maniera moderna„, die noch bis zum 08. Januar 2012 gezeigt wird und die gleichzeitig die letzte Produktion von Chris Dercon markiert, der als Direktor an die Tate Modern gewechselt ist. Im Unterschied zum letzten Event wurde also ganz gezielt nicht der freie Lauf durch eine Schausammlung, sondern die begleitete Führung in einer Ausstellung gesucht.

Bisiluro da corsa, Nardi – Mollino – Giannini, 1955; © Alessandro Nassiri, Archivio Museo Scienza; Quelle: Haus der Kunst, München
Bisiluro da corsa, Nardi – Mollino – Giannini, 1955; © Alessandro Nassiri, Archivio Museo Scienza; Quelle: Haus der Kunst, München

In einer Kritik der Süddeutschen Zeitung beschreibt die Autorin Laura Weissmüller Mollinos Leben als eine einzige Bewegung, durchchoreographierten Tanz:
„Von der Spazierfahrt im Auto, (…) über den perfekten Stemmschwung eines Skifahrers (…) bis zu dem Eisengeländer des Tanzclubs „Lutrario“, das so aussieht als hätte sein Schöpfer Duchamps „Akt, eine Treppe herabsteigend“ in die wild gebogenen Geländerstreben geschmolzen. Stillstand war nicht vorgesehen bei Carlo Mollino. Die geschwungene Linie durfte auf keinen Fall unterbrochen werden“.
Was also lag näher, als diese Ausstellung im Kontext eines schnellen Events („Tweetups“) mit Einsatz eines schnellen Mediums („Twitter“) zu besuchen und im Resultat einen nicht minder schwingenden Datenstream zu produzieren, der in der niemals ruhenden, globalen Timeline des Mikrobloggingdienstes versenkt wurde (allerdings über den Hashtag #mukomuc zumindest eine Weile greifbar bleibt).
Carlo Mollino: „Unser Leben ist unglücklich, denn es ist nützlich und schnell“
„maniera moderna“ widmet sich dem facettenreichen Werk des italienischen Architekten, Designers und Fotografen Carlo Mollino (1905–1973), der zudem auch als Literat, Kunstflieger und Skifahrer bekannt wurde.

Carlo Mollino, circa 1950; Quelle: Haus der Kunst
Carlo Mollino, circa 1950; Quelle: Haus der Kunst

Mollino ist innerhalb der Moderne eine Ausnahmeerscheinung. Ausgebildet als Architekt im italienischen Rationalismus der 1920er Jahre und beeinflusst von den Pariser Surrealisten, zeichnet sich schon sein Frühwerk durch einen eigenwilligen Manierismus aus: gegensätzliche Formen und Techniken treffen aufeinander wie in surrealistischen Montagen. So verbindet Mollino traditionelle Bauformen wie den alpinen Blockhausbau mit der modernen Stahlbetonskelettbauweise. Auch Mollinos Fotografie folgt surrealistischen Techniken, sei es in Form von Fotomontagen, sei es in Form artifizieller Porträts und Stillleben, die an Man Ray erinnern. Für seine hoch inszenierten Aufnahmen entwirft Mollino komplexe Interieurs, die er wie Filmsets ausstattet und in denen er mehr als drei Jahrzehnte lang weibliche Akte fotografiert. Die Werkauswahl in der Ausstellung spiegelt diese Vielseitigkeit: zu sehen sind seine Zeichnungen und Architekturpläne, Möbel und Einrichtungsgegenstände, sein Rennauto „Bisiluro“, seine Fotomontagen, die Polaroids mit den weiblichen Aktdarstellungen, seine Essays über Architektur, Fotografie und Abfahrtski und weiteres Archivmaterial.

Carlo Mollino Untitled polaroid, 1960s, Quelle: www.hausderkunst.de
Carlo Mollino Untitled polaroid, 1960s, Quelle: www.hausderkunst.de

Armin Linke, Carlo Mollino, Teatro Regio (1965–1973), Torino Italy, 2005; Bildquelle: www.hausderkunst.de
Armin Linke, Carlo Mollino, Teatro Regio (1965–1973), Torino Italy, 2005; Bildquelle: www.hausderkunst.de

 
 
 
 
 
 
 
Technik, Tweetups und Impulse
Theodor W. Adorno resümierte einmal, daß „nicht die Technik das Verhängnis (ist), sondern ihre Verfilzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, von denen sie umklammert wird“. Im Grunde stellt sich die Frage nach einem „technischen Verhängnis“ erst für wenige (deutsche) Museen und die „Verfilzung“ beschränkt sich noch klar auch klassische Vermittlungswege und -instrumente. Social Media findet erst ansatzweise statt und markiert Neuland, dem man sich nur sehr zögerlich und vorsichtig nähert. Die „Umklammerung“ erscheint da gerne als ein Würgegriff, der für neue Impulse wenig Luft läßt. Dabei hat sich der Tweetup in anderen Ländern längst durchgesetzt (Bsp. Tweetup im Dali-Museum, St. Petersburg, USA oder im High Museum of Art, Atlanta oder American Museum of Natural History, New York), und auch in Deutschland erfolgreiche Umsetzung gefunden (z.B. „Erstes europäisches Raumfahrt-Tweetup von DLR und ESA am 18. September 2011 in Köln„). Die Chancen und Potentiale eines solchen Events werden von Elissa Frankle im Blog museums365.wordpress.com sehr schön zusammengefasst: „(…) A tweetup means two things: it is a series of activities and speakers, often clustered around a pivotal event (…), whose goings-on will be shared with the rest of the world via Twitter, but it is also an opportunity for tweeps who are already engaged with your brand independently to meet one another and form face-to-face friendships and connections. Online social networks often grow best out of preexisting in-person networks, but online interactions prior to face-to-face meetings can be pivotal, especially when the interactions all center around one topic of interest. Putting faces to Twitter handles and having several consecutive days to hang out in the Twent, at the visitor complex, and often in group housing strengthens relationships created online and can lead to discoveries of other shared interests (…). This doesn’t mean you need to bunk your visitors on-site, you just need to give them opportunities to interact with like-minded people through and around your activities (…)“.

Tweetup im Haus der Kunst, München
Tweetup im Haus der Kunst, München

Den Münchner Twitterern hat der Event jedenfalls wieder viel Spaß gemacht und das Museum konnte einen kleinen Teil seines ditigal engagierten Publikums auch persönlich kennenlernen. Aber auch umgekehrt haben die Twitterer Kontakt zu den Personen gefunden, die die digitalen Achsen des Museums tragen. Knapp 100 Tweets konnten im Kontext der Veranstaltung in ca. 60 Minuten abgesetzt werden, die allgemeine Informationen, spezielle Eindrücke, persönlichen Meinungen und ganz subjektive Bewertungen zur Ausstellung in maximal 140 Zeichen an das globale Netz übergaben. Die Zahl der Retweets, also der via Twitter aufgefangenen und weiterverschickten Nachrichten, macht dann doch deutlich, dass die Münchner Aktionen nicht nur Interesse an den besuchten Museen und Ausstellungen fördern, sondern auch unter recht genauer Beobachtung stehen, Neugier wecken und hoffentlich bald Nachahmung finden.



Der nächste Tweetup findet in Penzberg statt: wir besuchen das Stadtmuseum am 13. Oktober 2011, von 12 – 13 Uhr

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