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Blog von Christian Gries / ISSN 2197-7747

"Entartete Kunst" – OpenData via TAZ und Victoria&Albert Museum

"Entartete Kunst" – OpenData via TAZ und Victoria&Albert Museum

Screenshot aus dem PDF "Entartete Kunst" im Victoria&Albert
Screenshot aus dem PDF „Entartete Kunst“ im Victoria&Albert

„Entartete Kunst“
In der Aktion „Entartete Kunst“ konfiszierten die Nazis in den Jahren 1937 und 1938 etwa 20.000 Kunstwerke aus deutschen Museen. Diffamiert wurde nahezu alles, was heute als moderne Kunst gilt. Über 600 Bilder, Skulpturen und Grafiken reisten auf Schmähausstellungen bis 1941 durch zwölf deutsche Städte. Viele der Werke wurden verkauft, andere verbrannt und vernichtet. Ein Gesamtverzeichnis der in deutschen Museen beschlagnahmten Werke „entarteter Kunst“ wird seit 2010 erarbeitet und kontinuierlich ins Netz gestellt. Es fußt im wesentlichen auf entsprechenden Beschlagnahmeinventaren sowie Meldungen aus betroffenen Institutionen. Eine vollständige Liste „Entartete Kunst“ galt lange als verschollen. Erst 1997 tauchte ein entsprechendes Dokument in einem Nachlass auf, der an das Londoner Victoria and Albert Museum übergeben worden war: 482 Seiten in akurater Maschinenschrift und eine Liste über ca. 16.000 Werke.

Die Geschichte vieler Kunstwerke
Die Liste birgt die Chance, die Geschichte einzelner betroffener Bilder weiter aufzuarbeiten. Die taz.am wochenende hat nun auf ihrer Website eine Suchmaschine ermöglicht, über die man in dem Dokument die Namen von Künstlern und Kunsthändlern recherchieren kann. Grundlage dieser Datenbank ist die Arbeit des Dortmunder Kirchenhistorikers Hans Prolingheuer, der von Hand die Daten in ein Dokument übertrug und einen Index für die Liste erstellte.

Ausstellung "Entartete Kunst" im Galeriegebäude am Münchener Hofgarten (Eröffnung am 19. Juli 1937). Johannes Molzahn
Ausstellung „Entartete Kunst“ im Galeriegebäude am Münchener Hofgarten (Eröffnung am 19. Juli 1937). Johannes Molzahn (Bild: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz/Zentralarchiv, SMB)

Johannes Molzahn und seine Werke im Kontext der Aktion „Entartete Kunst“
Im Oeuvre des Künstlers Johannes Molzahn (1892-1965) hat der Wahnsinn der Nationalsozialisten katastrophale Spuren hinterlassen. Der Künstler aus dem Umfeld von Sturm und Bauhaus war maßgeblich von den Aktionen „Entartete Kunst“ betroffen. Allein in der Münchner Station der Feme-Ausstellung „Entartete Kunst“ wurden sechs Werke des Künstlers gezeigt.  Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Molzahn aus seiner Lehrtätigkeit an der fortschrittlichen Breslauer Akademie beurlaubt und musste 1938 in die USA emigrieren.
In der nun publizierten Liste lassen sich zu Molzahn spannende Recherchen anstellen und Aussagen machen. Gesamt werden 32 Werke des Künstlers aufgeführt, darunter überwiegend Grafiken und Mappenwerke, aber auch drei Aquarelle und neun Gemälde. Für sechs der beschlagnahmten Werke ist eine „Vernichtung“  notiert, – allesamt Grafiken und Mappenwerke, bevorzugt offenbar die Mappenwerke „Zeittaster“ aus dem Jahr 1921 (Salzmann 47-53) und „Kristallbilderbogen“ aus dem Jahr 1925 (Salzmann 54-58). Wenigstens für die genannten neun Gemälde, Beschlagnahmungen aus Museen in Breslau (5),  Essen (3) und Weimar (1),  ist anzumerken, dass alle Arbeiten bis heute als verschollen gelten.

Recherche nach dem Namen "Molzahn" in der Liste "Entarteter Kunst"
Recherche nach dem Namen „Molzahn“ in der Liste „Entarteter Kunst“: https://apps.opendatacity.de/entartete-kunst/?q=Molzahn

Aus der Liste ergibt sich nun die Kenntnis, daß mindestens vier Gemälde aus Essen, Weimar und Breslau an den Berliner Buch- und Kunsthändler Karl Buchholz (1901-1992) ausgeliefert wurden. Dieser zählte, wie Hildbrand Gurlitt oder Ferdinand Möller, zu den international erfahrenen Händlern, die vom NS-Propagandaministerium zum Handel mit „entarteter Kunst“ autorisiert worden waren. Zu den Hauptabnehmern dieser Händler zählten Museen und Privatpersonen aus USA, Schweiz, Dänemark, Holland, Belgien England und Norwegen, aber auch aus Deutschland.
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Keines der genannten Gemälde ist, meines Wissens nach, nach der Beschlagnahmung wieder aufgetaucht und es bleibt der Forschung überlassen, die Geschichte dieser Werke aufzuklären. Das Werk Molzahns aus der Zeit vor seiner Emigration ist bis heute nur lückenhaft zu rekonstruieren und kann sich überwiegend nur auf eine Handvoll Schwarz-Weiß-Photos berufen.
Literatur:

  • Christian Gries, Johannes Molzahn (1892-1965) und der „Kampf um die Kunst“ im Deutschland der Weimarer Republik, Diss. Universität Augsburg 1996
  • Siegfried Salzmann, Johannes Molzahn – Werkverzeichnis der Druckgraphik, Duisburg 1977
  • Christoph Zuschlag, „Entartete Kunst“ – Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland, Worms 1995

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