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Iliou melathron

Blog von Christian Gries / ISSN 2197-7747

Das #Selfie im Museum

Das #Selfie im Museum

Lady Gaga on Instagram. Bildquelle:  http://instagram.com/p/hcIyzypFA7/
Lady Gaga on Instagram. Bildquelle: http://instagram.com/p/hcIyzypFA7/

Das Selbstportrait boomt. Die Omnipräsenz des Smartphones, die permanente Verfügbarkeit von Fotoapplikationen und die offenbar zutiefst menschliche Lust der Selbstinszenierung führt in digitalen Zeiten dazu, dass sich Menschen an allen Orten und in unendlichen Zusammenhängen abbilden und diesen Trieb auch ins Digitale dokumentieren. Pop-Stars, Celebrities und Glamour-Sternchen wie Lady GagaMiley Cyrus oder Kim Kardashian machen es. Astronauten wie Akihiko Hoshide machen es. Obama macht es (gelegentlich). Der Papst macht es (oder läßt es machen). Die New York Times wählt das Selfie 2012 zu den Unwörtern des Jahres und nur ein Jahr später wird es von The Oxford Dictionaries zum Wort des Jahres 2013 gekürt. Eigentlich also schon lange in der Diskussion und nichts Neues mehr. Die Netzgemeinde schreit dem #Selfie schon ein neues Format, das #Usie, das Gruppenbild, entgegen.
Andy Warhol: #selfie
Andy Warhol: #selfie (Self-Portrait with Polaroid Camera, 1979

Das #Selfie in der Kunst
In der Kunst ist das Selfie, ja sogar das #Usie („Familie Lenbach„) schon länger angekommen. Eigentlich schon seit Jahrhunderten. Von Dürer über Rembrandt oder Lenbach bis zu Andy Warhol zieht eine kaum überschaubare Reihe der Selbstdarstellungen durch die Kunstgeschichte (ich habe früher schon einmal dazu gebloggt). Mit der niederschwelligen Popularisierung des Fetisch „Kamera“ hat das Selbstportrait aber eine radikale Verbreitung erfahren, die es zur zentralen Ikone des 21.Jahrhunderts macht. Die visuellen Selbstbezeugungen sind lange schon nicht mehr auf Klerus, Adel, Politik oder Künstler beschränkt und in ihren Funktionen sicher auch vielfach trivialisiert. Als optische Selbstentwurfs- und Propagandamaschinen haben sich wesentliche Aspekte der Mechanik aber kaum verändert. Das, was Lotte Jacobi in einem berühmten Selbstportrait aus dem Jahr 1929 versucht hat, die Selbstinszenierung (in einem Jugendtraum), machen heute Millionen andere auch.
Das #Selfie im Museum
Ein wesentlicher Aspekt des Selfie ist, neben dem eigentlichen Selbstportrait, die räumliche Umgebung der Inszenierung. Ob in einem Pop-Konzert von Beyonce, nach einem Flugzeugabsturz, im Badezimmer oder Krankenhaus, oder einen Museum, – der Ort ist wesentlicher Bestandteil der eigentlichen Aussage. Eine Vielzahl von Selfies entstehen in Museen, wo Menschen sich im Kontext von Kunstwerken zu einem Selbstportrait animieren lassen und dieses an die eigene Community weiterreichen. Die Initiativen erfolgen irgendwo im Zwischenraum zwischen „illegal“ (wo das Fotografieren im Museum eigentlich verboten ist) und „erwünscht“: ein schönes Beispiel für das bewusst geförderte Selbstportrait kommt aus dem North Carolina Museum of Art, wo das Selfie der Besucher seit geraumer Zeit via Pinterest über verschiedene Boards („Rodin-agram“ und „Mirror-Self-Portrait„) dokumentiert wird:
Rodin-agram
Die Kontextualisierung des „Selbst“ im Museum wird wohl überwiegend reflektiert geschehen. Der Akteur sucht die Nähe zur Geschichte, zur Legende, zur Unvergänglichkeit, zur Schönheit und zum ewigen Ruhm. Irgendwo also eine bewusste Reflexion, die ein Mindestmaß an Erkenntnis und Kultureinsicht voraussetzt. Das Selbstportrait ist in Zeiten des Smartphone in Sekunden gemacht, – der Ort und womöglich auch der Zusammenhang aber womöglich länger überlegt. Der Akteur sucht (oder versteht) einen Zusammenhang mit dem Objekt, interagiert mit dem Kunstwerk, der Umgebung oder einer besonderen Situation. Auch nicht schlecht. Zudem kommuniziert er seinen leibhaftigen Besuch auch noch an seine eigene Community. Noch besser. In der öffentlichen Diskussion wird das Selfie mal als perfekte Metapher für unsere immer narzisstischer werdende Kultur beschrieben, aber auch als Ausdruck der Selbstentdeckung und kreativen Reflektion interpretiert. Dabei scheint es mir umso spannender, wenn diese Selbstfindung im Kontext von Kultur und im Museum passiert.
#MuseumSelfieDay
Am 22.01. hat @MarDixon und die englische Gruppe der „museum professionals“ von „Culturethemes“ nun einen offiziellen #MuseumSelfie Day ausgerufen: „So this month we want you to share your #MuseumSelfie  – whether you work in a museum, are a museum mascot or one of the lovely visitors – post your pictures using the tag on January 22nd!“. Wer also die eigene Identität gerne ins Museums verlagert oder sich dort, aus welchem Grund auch immer, gerne inszeniert, kann das am 22.01. tun, – die Welt wird davon erfahren. Enjoy your #museumselfie!

 

6 comments

  1. Von Jenni Fuchs kommt noch der wertvolle Hinweis auf: http://museumselfies.tumblr.com/ hinzu. Danke!

  2. Nachlese von Mar Dixon zum unglaublich erfolgreichen #museumselfie Tag 2014: „In 14 hours, the stats rose to: 3372 Photos, 6 Videos, 19586 Tweets, 9381 Contributors“ http://www.mardixon.com/wordpress/2014/01/going-viral-with-museumselfie/

  3. Jenny Postel says:

    Auch Jerry Saltz schreibt auf Monopol über das Selfie einen dicken Artikel: http://www.monopol-magazin.de/blogs/der-kritiker-jerry-saltz-blog/2013287/Jerry-Saltz-ueber-Selfies.html – er hat aber deinen Beitrag vorher gelesen, denke ich 😉 😉

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