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Iliou melathron

Blog von Christian Gries / ISSN 2197-7747

"Made in heaven": Bloggertreffen und Tweetup zu Jeff Koons in Frankfurt

"Made in heaven": Bloggertreffen und Tweetup zu Jeff Koons in Frankfurt

Der Kurator verstellt den Blick auf „Made in Heaven“ von Jeff Koons, Bild: green pink orange

„Die schönsten Dinge kommen freiwillig nur zu dem, der sie liebt“ hat Jeff Koons einmal gesagt. Nun, die Vorstellungen über die „schönsten Dinge“ mögen generell auseinandergehen, – dass die Freiwilligkeit, Offenheit und Neugier aber eine bedeutende Rolle bei der Einlassung auf Neues spielen, dürfte allen klar sein.
Ähnlich verhält es sich mit neuen Kommunikationsformen wie Web 2.0, Socialmedia oder eben dem Bloggen, denen sich unsere etablierten Kulturbetriebe nur sehr langsam öffnen. Dabei markieren Schirn, Städel und Liebieghaus in Frankfurt, auch in der digitalen Perspektive, immer eine Speerspitze. Nicht nur dass diese Häuser seit Jahren mit Pioniergeist und Weitsicht agieren, – sie führen immer deutlicher auch einen vorbildhaften Dialog mit dem digitalen Publikum. Da war es nur konsequent, dass die Schirn am 26.07. zum ersten Bloggertreffen und, quasi im Nachgang, zum großen Tweetup (#KultUp) zur Ausstellung von Jeff Koons geladen hatte.
#schirnup @SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, Foto Sascha Rheker (17)
#schirnup @SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, Foto Sascha Rheker (17)

Bloggertreffen
Etwa 50 Blogger aus dem ganzen Bundesgebiet hatten sich auf diese Begegnung eingelassen. Darunter Kultur- und Kunstblogger, Modeblogger, Zeitgeistblogger, Stadtblogger, Institutionen-blogger, Hausblogger, Freizeitblogger und Profiblogger. Eine bunte Truppe also, teils wohl von der Neugier auf den ungewöhnlichen Impuls aus einem Museum getrieben, teils auch mit dem Verdacht, „die PR-Abteilung ist daran interessiert, stärker in der Blogosphäre beachtet zu werden„. Wie auch immer, die Schirn stellte diesem Experiment mit vollem Einsatz und lobenswertem Engagement: vom professionellen Empfang (mit dem längst nicht mehr selbstverständlichen Belegexemplar eines Katalogs) über ein interessantes Programm mit zwei Vorträgen (Mercedes Bunz und Matthias Planitzer), einer Diskussionsrunde und Führung durch die Ausstellung, sowie nachfolgendem Shuttleservice ins Liebieghaus zum (von Experten) geführten Tweetup.
#schirnup @SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, Foto Sascha Rheker (16)
#schirnup @SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, Foto Sascha Rheker (16)

Digitalisierung versus „Entertainisierung“
Aus dem Vortrag von Mercedes Bunz nehme ich nicht nur das schöne Statement mit, dass „Kunst und Kapital in einem endlosen Dauerverhältnis stehen“, sondern vor allem die spannende These, dass unsere Museen immer stärker einer „Entertainisierung“ unterworfen werden (die Gesellschaft und Zeitgeist fordern) und gerade die Digitalisierung dazu als Gegenentwurf verstanden und genutzt werden könnte. Gerade das Bloggen, als eine Facette der Digitalisierung, produziere und verändere die Sichtweise auf Museen bzw. Kunst und „schärfe den Blick auf die Welt“. Matthias Planitzer differenzierte in seinem (zwischenzeitlich online verfügbaren) Beitrag dann die Alleinstellungsmerkmale von Blogs gegenüber herkömmlicher Pressearbeit (Echtzeitkommunikation, Vernetzung, Interaktivität, etc.) und gab einen Ausblick auf die Chancen der digitalen Kommunikation.
Diskussions- und Definitionsbedarf für die „Bloggerrelations“
Die beiden Vorträge, die folgende Kurzvorstellung der Online-Aktivitäten der Schirn und die finale Diskussionsrunde machten für mich vor allem eines deutlich: hier besteht noch jede Menge Diskussions- und Klärungsbedarf. Zentrale grundsätzliche Fragestellungen zu Verständnis, Bewertung und Wertigkeit von Blogs durch die Kulturbetriebe bzw. zu den Wünschen und Hoffnungen der Blogger an die Museen wurden allenfalls im Ansatz berührt. Aber das war sicher auch nicht das Ziel der Veranstaltung. Dabei scheinen die Fragestellungen, zumindest auf Seiten der Blogger, bekannt: „der Kulturbetrieb steht – ähnlich wie kommerzielle Firmen – vor der Herausforderung, Lösungen auf den fundamentalen Wandel des Konsumentenverhaltens als Folge der Digitialisierung zu finden. (…) jeder hat eine Stimme und kann diese (digital) erheben, die Relevanz schafft sein Umfeld. (…) ein erster Schritt auch für die Kulturbetriebe wäre es, zu analysieren, wer über sie spricht und mit diesen (Multiplikatoren) den Dialog zu suchen„. Mit Sicherheit bräuchte eine solche Positionsbestimmung und Analyse mehr Zeit und einen größeren Rahmen. In zwei Blogposts über „Blogger Relations für Kulturbetriebe“ haben Tanja Praske und Christian Henner-Fehr bereits Konturen dieser Beziehungen skizziert: „Wer es also schafft, Beziehungen zu BloggerInnen aufzubauen und diese dann auch aufrecht zu erhalten, kann etwas “Phantastisches” schaffen„.  Gerade deshalb: dass sich die Schirn diesem Impuls geöffnet hat und ein erstes Signal sendet, sollte hoch angerechnet werden. Als Veranstaltungsformat könnte sich ein Bloggertreffen (flankierend zur klassischen Pressekonferenz) für die Museen insbesondere dann lohnen, wenn es mit weiteren digitalen Formaten kombiniert wird. In Frankfurt wurde das mit dem folgenden Tweetup ideal umgesetzt. Zudem dürfte die „digitale Wucht“ des Koons-KultUps erst einmal einen neuen Standard gesetzt haben.
#schirnup @SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, Foto Sascha Rheker
#schirnup @SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, Foto Sascha Rheker

„Viele kleine Pünktchen“
Blickt man nun auf die zwischenzeitlichen veröffentlichten Posts von heiligenschein blog, schmerzwach, Gleisbauarbeiten, HerrLarbig,  popp-ART, Rent my brain, Museum Diary, KultUp, Kulturkonsorten und das Flickr-Album von KultUp zum Event, so erscheint das digitale Feedback tatsächlich als „kontroverses Gesamtbild in vielen kleinen Pünktchen“ (popp-ART). Die Reflexion erfolgt in der für Blogs typischen subjektiven Sicht oder Themenstellung, ist lebendig, bunt und zuweilen schrill, – irgendwie wie das Werk von Koons: eine poppige Selbstbeschau in, zum Teil, leuchtenden Farben. Durchgängig stehen die Blogger dem Event positiv gegenüber, fühlen sich geschmeichelt und „treated like a rockstar„. Die Schirn hat also einiges richig gemacht. Dem Tweetup näherten sich die Blogger eher vorsichtig, gerne über Listen und Dokumentationen der verschickten Tweets. Hier fehlen wohl einfach noch Standards und Muster, die die Vielzahl der durchrauschenden Postings (be-)greifbar machen. Das Format „Tweetup“ ist neu in der Museumskommunikation, professionalisiert sich (insbesondere über die Kulturkonsorten in München und KultUp in Frankfurt) aber zusehends. Die Tweets transportieren Emotionen, Impressionen, Fakten und spontane Kommentare. Und wo die Worte fehlen, tun es bei einem Tweetup eben Bilder (zumal wenn man bei einem solchen Event in der Ausstellung fotografieren darf).
#schirnup @SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, Foto Sascha Rheker (41)
#schirnup @SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, Foto Sascha Rheker (41)

Tweetup in Frankfurt = KultUp
Ein Tweetup ohne Twitter geht nicht, – sollte man meinen. Dass sich die Microblogger auch von großflächigen Serverschwankungen und Serverdowns des Microbloggingdienstes nicht einschüchtern lassen, konnte man beim Tweetup in Schirn und Liebieghaus live erleben. Eine kurze Irritation, dann lauschten die ca. 75 Twitterer mit umso größerer Aufmerksamkeit der Führung (bzw. den Führungen) oder speicherten die Posts einfach in den Entwürfen ab. Als Twitter dann gegen 18.45 Uhr wieder online war, schoßen einem die Tweets im Sekundentakt um die Ohren.
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Ein Grundproblem der Tweetups (neben der grundsätzlichen Verfügbarkeit des Microbloggingdienstes) ist mittlerweile generell der massive Spambefall, der punktgenau dann einsetzt, wenn der genutzte Hashtag (hier: #schirnup und #kultup) zum „Trending Topic“ wird. Auch wenn die Pornospammer beinahe als virtuelle Schleife eine dekorative Spur zu Koons „Made in Heaven“ legen könnten, so sind sie doch nur Ausdruck einer digitalen Hilflosigkeit. Twitter ist hier dringend gefordert, eine Lösung zu finden, die derartigen Massenspam zuverlässig blockiert. Um trotzdem eine (spamfreie) Vorstellung der Twitter-Timeline im Liebieghaus zu geben, habe ich eine Auswahl der Tweets via Storify dokumentiert.
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Koons im Liebieghaus

Die Konfrontation der Koons Skulpturen mit Werken aus Antike, Mittelalter und Neuzeit im Liebieghaus eröffnete überzeugende Perpsektiven auf das Werk des Künstlers und ungewohnte Spannungsverhältnisse im Nebeneinander von Tradition und Moderne. Manchen Mediävisten mag das Herz stocken, wenn Koons seine aufgeblasenen Hummelplastiken, Trashbarbies, Popstars, Cartoonfiguren, Blumensträuße und Schweine zwischen Marienbilder, Schmerzensmänner und ägyptische Sarkophage platziert. Aber „Koons perfekt gearbeitete Plastiken schöpfen aus dem Geist und dem Sentiment der Zuneigung vergangener Zeiten“, schreibt Max Hollein im Vorwort des Katalogs. Tatsächlich stehen die Plastiken des leidenschaftlichen Kunstsammlers Koons nicht nur mit überzeugender Selbstbehauptung im Kontext der im Liebieghaus manifestierbaren Entwicklungsskizze europäischer Skulptur, sondern spielen und paraphrasieren sehr gelungen in formaler und inhaltlicher Auseinandersetzung mit der Sammlung: „Es entsteht ein aufregend lebendiger Diskurs der Formen und Narrationen mit Bezügen zur antiken Skulptur, zu sakralen und weltlichen Arbeiten des Mittelalters und zur Skulptur der Neuzeit, die in so konziser Weise von Koons aufgenommen und im Sonne der Emotionalität und Ästhetik des modernen Menschen erweitert werden“ (Katalog, S.10). Für mich ein Ausstellungs-Highlight, – und eine Reise wert!
#schirnup @SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, Foto Sascha Rheker (35)
#schirnup @SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, Foto Sascha Rheker (35)

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