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Iliou melathron

Blog von Christian Gries / ISSN 2197-7747

#Beltracchi und der Dunst der Fälschung

#Beltracchi und der Dunst der Fälschung

Ja, nun schreibe ich doch einen Kommentar dazu. Emotional. Geladen. Und genervt. „Beltracchi – Die Kunst der Fälschung“ läuft am 06.03.14 in den deutschen Kinos an. Als Dokumentarfilm.
Auf der Website des Regisseurs Arne Birkenstock (der übrigens der Sohn von Beltracchis Anwalt ist) heißt es vollmundig “ (…) der Dokumentarfilm “Beltracchi – Die Kunst der Fälschung” erzählt das abenteuerliche Leben von Wolfgang und Helene Beltracchi. Der Film zeigt und demonstriert die handwerkliche Finesse, mit der sie gearbeitet haben, lässt aber auch Experten, Kunsthändler, Sammler und den Ermittler zu Wort kommen, der die Beltracchis am Ende überführte. Auch die Frage nach dem Wert von Original und Fälschung wird gestellt. Entstanden ist eine dokumentarische Gaunerkomödie und eine “höchst amüsante Doku (…)”. Das Ehepaar rotiert derzeit durch die bundesdeutschen TV-Talkshows, was nur deshalb funktioniert, weil der Fälscher seine Haftstrafe im offenen Vollzug verbüßt und gerade mal zum Schlafen in der Euskirchener Justizvollzugsanstalt erscheinen muss. Bereits 2015 könnte er aus dem Gefängnis entlassen werden (nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe). Für Medienauftritte als Werbeveranstaltungen für seine Bücher und den Film bekomme Beltracchi „in den engen Grenzen des Strafvollzuggesetzes“ aber schon jetzt Freigang, sagt sein Anwalt. Unfassbar.

Medienclowns
Das vielfach unreflektierte Glorifizierungsgetöse zum „größten Künstler aller Zeiten“ stinkt zum Himmel. Mag ja sein, dass unsere Gesellschaft immer neue Medienclowns braucht, die dann von Moderatorenclowns mit lustigen Fragen konfrontiert und zur lustigen Erbauung des belustigten Publikums eingeladen werden. Mag sein, dass Beltracchi ein charmanter Plauderer und ein cooler Hund mit einem bewegten Leben ist. Aber es reicht. Der Mann ist ein verurteilter Krimineller, ein Kunstfälscher, der offenbar im Glauben lebt, alle Künstler der Welt in sich zu vereinen und diese nach Belieben reproduzieren zu können.  Meiner Meinung nach hat Beltracchi mit Kunst so viel zu tun wie die Plakatabteilung bei Ikea mit Matisse.

Niemals ein Werk von Johannes Molzahn gewesen: das vermeintliche Portrait von Oskar Schlemmer

Schlechte Kunst
In der 90er Jahren, lange vor dem großen Skandal um die vermeintliche „Sammlung Jäger„, hatte ich selbst im Rahmen meiner Dissertation über Johannes Molzahn massiv mit Kunstfälschungen zu tun und mehrfach Beltracchi-Fälschungen in Augenschein genommen. Die Werke hatten nichts von einer Genialität, nicht einmal im Ansatz „handwerkliche Raffinesse“. Sie waren schlecht gemalt und hatten weder Technik, Werk noch Wesen des Künstlers verstanden. Elf Fälschungen habe ich damals identifiziert (und publiziert), darunter zahlreiche Werke in Kunsthandel, privaten Sammlungen oder Museumsbesitz. Eines findet sich noch heute auf der Website des Los Angeles Police Department, obwohl Beltracchi längst zugegeben hat, es 1985 gemalt zu haben. Beachtlich war hier kein malerisches Genie, sondern einzig der Aufwand und Ansatz, mit dem diese „Werke“ in den Markt geschleudert und dort platziert worden waren. Beachtlich die Ignoranz und Hartnäckigkeit mit der Handel und Fachleute die eigene Verantwortung für fehlerhafte An- bzw. Verkäufe und Beurteilungen missachteten. Beachtlich die Frechheit, mit der die Maschinerie um den Fälscher wissentlich oder aus Ignoranz Menschen zu Opfern machte und sie gnadenlos in die Verwicklungen zu involvieren versuchte oder einfach „verbrauchte“. Als junger Kunsthistoriker, frisch von der Uni, hatte mich diese erste Skandal quasi explosionsartig mit verzweifelten bis hysterischen Kunstsammlern, Drohgebärden von Händlern und Galeristen, der Kriminalpolizei, dubiosen Zwischenhändlern und irritierten aber auch hochnäsigen Museumskuratoren konfrontiert. Übrig geblieben ist eine massive Irritation, die so gar nichts von einer Komödie hatte – und nicht nur in meiner Biographie für einen Bruch sorgte. Schnauze voll, um es glatt zu sagen. Figuren wie Beltracchi haben die Künstler und ihr Umfeld mißbraucht, ihr Werk verfälscht und nachhaltig beschädigt. Sie haben aus rein wirtschaftlichen Gründen und zum eigenen Vorteil einen Markt bedient und wurden wegen gewerbsmäßigem Bandenbetrugs rechtskräftig verurteilt. Wer aus solchen Situationen nur eine „höchst amüsante Doku“ macht, hat wohl nichts verstanden. Einen Kinofilm, soweit er nur romantisches Gedusel über vermeintliche Jahrhundertgenialität eines Fälschers illustriert oder einen sensationsgeilen Medienmarkt bedient, brauchen wir ganz sicher nicht. Ich bin froh, dass zumindest im Netz kontroverse Diskussionen über den Film passieren. „Das Internet ist tödlich“ hat Beltracchi in einem Interview einmal gesagt. Und damit die Möglichkeiten der soliden Provenienzforschung über das Netz markiert. Zum Glück.

Für weitere Informationen zum Fälschungsskandal empfehle ich mindestens das Buch von Koldehoff und Timm: „Falsche Bilder – echtes Geld„.

3 comments

  1. Mein Name ist Arne Birkenstock und ich habe den Film über Wolfgang und Helene Beltracchi gemacht. Dabei war es mir u.a. sehr wichtig, die Hybris des Fälschers gegenüber den von ihm nachgeahmten Künstlern der Klassischen Moderne nicht unwidersprochen im Raum stehen zu lassen. Das passiert über diverse O-Töne von Kunstexperten und auch über einen Ausschnitt aus Peter Schmamonis Film über Max Ernst, in dem Max Ernst seine Angst vor der weißen Leinwand beschreibt und erzählt, wie er durch Ausprobieren auf seine Frottage-Technik gekommen ist. Unser Film ist sehr viel differenzierter und auch kritischer als Sie es aufgrund der Medienauftritte von Wolfgang und Helene Beltracchi vielleicht vermuten. Insofern würde es mich außerordentlich freuen, mit Ihnen über den Film zu reden und gerne auch zu streiten, NACHDEM Sie ihn gesehen haben. Besten Gruß, Arne Birkenstock

    1. Hallo Herr Birkenstock, vielen Dank für Ihren Kommentar, Ihre Offenheit und die Bereitschaft zur Diskussion. Zweifellos bietet Ihr Film eine Chance, noch einmal Licht in den Fall zu bringen, Fragen zu stellen oder auch Antworten zu geben. Eine Fortsetzung der Diskussion tut sicher Not.
      Mein Post zielt in mehrere Richtungen. Da geht es um den ganzen Fall Beltracchi und die (im Prozess) verpassten Chancen einer wirklichen Offenlegung der gesamten Angelegenheit. 178 Zeugen vor Gericht wurden nicht (!) gehört und das Urteil hat viele Fragen offengelassen. Lesenswert dazu ein Bericht im Handelsblatt vom 20.10.2011..
      Da geht es aber auch um die Nachbearbeitung und Bewertung des Falls und der beteiligten Personen durch die Medien, die derzeit wieder Fahrt aufnimmt, aber offensichtlich in eine fast unerträgliche Richtung läuft. Es wäre fatal, wenn man die vormaligen „Opfer“ (und dazu zählen für mich nicht nur die finanziell Betrogenen und Frustrierten, sondern auch die ausgenutzten und betrogenen Menschen, insbesondere auch die geschädigten Künstler) erneut zu solchen macht. Die Gefahr, das hier nur das Bild des Fälschers stilisiert und mythisiert wird, ist, meines Erachtens, sehr groß. In der Öffentlichkeit entsteht derzeit ein Zerrbild, mit dem die Medien offenbar dankbar spielen, weil es Quote bringt. Formulierungen über „einen hochbegabten Schelm zwischen charmanter Chuzpe und kriminellem Instinkt, einem Anarchisten, der die Lebenslügen des Kunstbetriebs entlarvt“ (Filmdienst) suggerieren doch eher einen Erlöser und Heilsbringer, als einen verurteilten Kriminellen. Insofern beginnt Ihr Film ja schon vor dem Vorspann und die Inszenierung von Sprache und Wertigkeit (auch wenn es Werbegetöse ist) trägt zum Gesamtbild bei.
      Ich hoffe, daß Ihr Film die notwendige Schärfe und Präzision hat, die die Angelegenheit benötigt. Bei der Gelegenheit: auf Ihrem Filmplakat wird der Name des Kunsthistoriker Werner Spies falsch geschrieben. Unter dem schmissigen Zitat wird mit „Werner Spieß“ der Name eines deutschen Historikers zitiert, der vermutlich eher nichts zu Max Ernst oder Beltracchi beigetragen hat.
      Selbstverständlich werde ich mir Ihren Film im Kino ansehen. Dabei bin ich gespannt, ob es mir möglich sein wird, die volle Filmlänge im Kino abzusitzen. Aber darüber werde ich dann gerne auch noch schreiben, oder mit Ihnen diskutieren. Mit besten Grüssen, Christian Gries

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